Kalle Blomquist
Stirn Waren vor Wut ge-schwollen, und er schlug mit der Faust auf den Tisch des Redakteurs.
»Begreifst du nicht, daß es verbrecherisch ist, so zu schreiben?« schrie er. »Begreifst du denn gar nicht, wie gefährlich das für meine Tochter werden kann?«
Nein, darüber hatte der Redakteur sich keine Gedanken gemacht. Wieso gefährlich?
»Mach dich nicht dümmer, als du schon bist! Das ist nicht nötig, weißt du«, polterte der Bäckermeister weiter. »Begreifst du nicht, daß ein Kerl, der einmal morden kann, das sehr gut auch ein zweites Mal fertigbringt, wenn er glaubt, daß es für ihn notwendig ist? Und deshalb ist es ein sträflicher Leichtsinn von dir, den Namen und die Adresse von Eva-Lotte anzugeben.
Hättest du nicht auch noch die Telefonnummer bekanntmachen können? Dann hätte der Kerl vorher anrufen und die Zeit verabreden können!«
Auch Eva-Lotte fand, daß der Artikel verbrecherisch war, zumindest einzelne Teile davon. Sie saß mit Anders und Kalle zusammen auf dem Bäckereiboden und las:
»Die kleine, niedliche Eva-Lotte, die heute wieder zwischen den Blumen in der Eltern Garten …«
»Himmel, mich beißt der Affe! Darf man denn so irrsinnig sein, wie man will, wenn man in der Zeitung schreibt?«
Kalle nahm ihr die Zeitung weg und las den ganzen Artikel und schüttelte dann besorgt den Kopf. So viel Detektiv war er ja auf jeden Fall, daß er verstehen konnte, wie wahnwitzig dieser Artikel war. Den anderen aber sagte er davon nichts.
In einem hatte der Redakteur allerdings recht: damit, daß Eva-Lotte ihre schrecklichen Abenteuer anscheinend vergessen hatte. Glücklicherweise hatte sie die Begabung junger Gemüter, Dinge, die ihnen unbehaglich sind, beinahe von einem Tag auf den anderen auszulöschen. Nur wenn der Abend kam und sie in ihrem Bett lag, hielten die Gedanken sich schwer von dem Geschehenen fern, das sie vergessen wollte. In den ersten Nächten schlief sie unruhig, und zuweilen schrie sie im Schlaf auf, so daß ihre Mutter kommen mußte, um sie zu beruhigen. Im klaren Sonnenschein des Tages aber war Eva-Lotte ruhig und froh wie zuvor.
Dem Krieg der Rosen konnte sie auch nicht lange fernblei-ben. Sie fühlte selbst: Je wilder die Spiele waren, in die sie sich warf, um so schneller würde all das andere in ihrem Unterbe-wußtsein versinken.
Die Polizeisperre draußen am Herrenhof hatte aufgehört.
Aber bereits vorher war der Großmummrich von dort weggeholt worden. Schutzmann Björk hatte den ehrenvollen Auftrag bekommen, ihn aus der Sperrzone zu holen. Nach dem Verhör auf der Veranda, als die Existenz des Großmummrich verraten werden mußte, nahm Anders Björk beiseite und fragte ihn, ob er nicht so nett sein wollte, den Großmummrich aus der Gefangenschaft zu befreien. Björk tat das gern. Ehrlich gesagt, er war sogar sehr interessiert daran, einmal zu sehen, wie ein Großmummrich aussah.
So geschah es, daß der Großmummrich unter Polizeieskorte von seinem unheimlichen Aufbewahrungsort fortgebracht und dem Chef der Weißen Rose übergeben wurde. Und jetzt lag er in einer der Kommodenschubladen oben auf dem Bäckereiboden, wo die Weißen ihre Heiligtümer zu verwahren pflegten.
Dieser Platz war aber nur ein vorläufiger, denn der Großmummrich sollte erneut verlegt werden.
Anders fand nach längerem Nachdenken die Idee, ihn bei dem Brunnen oben im Schloßhof zu verstecken, gar nicht mehr so gut. »Ich wünsche ihn mir an einem spannenderen Platz«, sagte er.
»Armer Großmummrich«, meinte Eva-Lotte. »Ich finde, sein letzter Platz war gerade spannend genug.«
»Nein … ich meine eine andere Art von spannendem Platz«, sagte Anders. Er zog die Schublade auf und betrachtete zärtlich den Großmummrich, wie er da auf Watte in einer Zigarrenkiste lag. »Vieles sahen deine weisen Augen schon, o du Großmummrich«, flüsterte er. Und mehr als je zuvor war er überzeugt von der magischen Kraft des Heiligtums.
»Ich weiß etwas«, sagte Kalle. »Wir geben ihn einem der Rötlichen!«
»Was meinst du damit?« fuhr Eva-Lotte auf. »Sollen wir ihn etwa freiwillig an die Roten zurückgeben?«
»Nein«, beruhigte Kalle. »Wir verstecken ihn bei einem von ihnen. Sie sollen ihn eine Zeitlang haben dürfen, ohne es zu wissen. Und wenn sie von ihm nichts wissen, ist es doch genauso, als hätten sie ihn nicht. Und denkt nur, wie wild die werden, wenn wir es ihnen nachher erzählen!«
Anders und Eva-Lotte sahen ein, daß dieser Einfall genial war. Nach einem hinreißenden
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