Kalle Blomquist
daß die Begrüßungsfeierlichkeiten gerade so lange gedauert hatten, wie es die Würde und der Anstand des Hauses erforderten, hörte er auf zu bellen und legte sich zufrieden nieder, um den herrlichen Klebekloß zu genießen, den ihm sein Gast – sicher für den freundlichen und lautstarken Empfang – spendiert hatte.
Anders seufzte erleichtert auf und öffnete die Tür, die in den Vorraum führte, so behutsam wie irgend möglich. Da war die Treppe, auf der er nach oben wollte …
Da ging oben jemand! Jemand kam mit schweren Schritten die Treppe herunter. Der Postdirektor kam, in eigener Person, barfuß und im Nachthemd. Beppos Bellen hatte ihn geweckt, und nun wollte er sehen, was los war.
Einen Augenblick stand Anders wie versteinert. Dann aber sammelte er all seine seelische Kraft, und im selben Moment kroch er auch schon schnell hinter einige Mäntel, die in einer Ecke des Vorraums an ihren Haken hingen.
Wenn ich nach diesem Unternehmen nicht in einer Nerven-heilanstalt lande, habe ich Nerven wie Tarzan, dachte er. Erst jetzt fiel ihm ein, daß die Postdirektorfamilie möglicherweise gar nichts davon hielt, wenn man nachts durch ihre offenen Fenster ins Haus kletterte. Daß Sixtus so etwas nur natürlich finden würde, war klar; aber er war ja auch am Krieg der Rosen beteiligt. Anders schauderte bei dem Gedanken, was der Postdirektor wohl mit ihm machen würde, wenn er ihn fand. Er schloß die Augen und betete still vor sich hin, als der Postdirektor, böse murmelnd, ganz dicht an den Mänteln vorüberging, hinter denen er stand.
Der Postdirektor öffnete die Tür zur Küche. Da lag Beppo im Mondschein und sah ihn an.
»Na, mein Junge«, sagte der Postdirektor, »was schimpfst du denn hier in der Nacht herum?«
Beppo antwortete nicht. Vorsichtig legte er seine Pfote auf den herrlichen Klebekloß. Herrchens Vater hatte nämlich oft wunderliche Einfälle. Gestern erst hatte er Beppo einen fetten alten Knochen weggenommen, den Beppo gerade auf dem Her-renzimmerteppich verzehren wollte. Niemand konnte daher wissen, ob er die richtige Einstellung zu so einem Schokoladenkloß hatte. Um ganz sicherzugehen, gähnte Beppo und legte eine gleichgültige Miene auf sein Hundegesicht. Der Postdirektor beruhigte sich. Der Ordnung wegen sah er aber doch noch aus dem Fenster.
»Ist dort jemand?« rief er leise. Nur der Nachtwind antwortete ihm.
Das Gemurmel von Anders hinter den Mänteln konnte er nicht hören: »Nein, nein, hier ist niemand. Ich erkläre, hier findet sich nicht einmal eine Laus.«
Lange stand Anders in seinem Versteck. Er getraute sich nicht eher, eine Bewegung zu machen, als bis er sicher war, daß der Postdirektor wieder eingeschlafen war. Es war sehr langweilig für ihn. Bald hatte er das Gefühl, als habe er die beste Zeit seiner Jugend hier hinter den Mänteln zugebracht – und immer mit den kitzelnden Wollfusseln vor seiner Nase. Er war eine be-triebsame Natur, und untätig sein war eine Qual für ihn.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er kam aus seinem Gefängnis hervor und begann, vorsichtig die Treppe hinauf zuklimmen. Bei jedem Schritt blieb er stehen und lauschte, aber es war kein Laut zu hören. »Das geht ja großartig«, sagte er, opti-mistisch wie immer.
Die quietschende Tür in Sixtus’ Zimmer beunruhigte ihn ein wenig. Sachte drückte er die Türklinke herunter, um zu probieren. Die Tür öffnete sich lautlos – sie war tatsächlich geölt worden. Anders lachte in sich hinein. Nun hatte Sixtus die Tür zu seinem eigenen Schaden geölt. Was hatte man doch für nette Feinde! Man brauchte nur auf eine kleine Unbequemlichkeit hinzuweisen, und – schwupp – schon halfen sie einem, so daß man sich bestens bei ihnen einschleichen konnte.
»Vielen Dank, mein lieber Sixtus«, dachte Anders und warf einen Blick zu Sixtus’ Bett hinüber. Da schlief er nun, der arme Kerl, und ahnte nichts davon, daß heute nacht der Großmummrich in sein Haus einzog.
Der Globus stand mitten im fließenden Mondlicht auf der Kommode. Anders’ flinke Finger hatten ihn schnell auseinan-dergenommen. Welch ein großartiger Platz für einen Großmummrich! Eifrig nahm er das Heiligtum aus seiner Hosentasche und legte es an seinen Platz.
»Eine kurze Zeit nur, o Großmummrich!« sagte er, als er fertig war. »Eine Weile mußt du unter den Heiden, die das Gesetz nicht anerkennen, leben. Dann aber werden dir die Weißen Rosen wieder eine Freistatt bei christlichen und ehrlichen Menschen
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