Kalle Wirsch und die Wilde Utze
Uranstein!«
»Rührt mich nicht an!« rief Kalle Wirsch
gebieterisch. Dann zog er sich selbst die Kette mit dem Uranstein vom Hals.
Begierig blickten die Utze danach.
Einen Augenblick lang wog Kalle Wirsch die
Kapsel, die den kostbaren Stein enthielt, auf seiner Hand. Er wußte, daß er
unersetzlich war. Behutsam, wie etwas sehr Zerbrechliches, hob er ihn hoch über
seinen Kopf, dann schleuderte er ihn mit einer blitzschnellen Bewegung in den
See der Finsternis. Ein silbernes Blinken, ein leises Aufklatschen — die Kapsel
mitsamt Kette und Uranstein verschwand im schwarzen Wasser. Perlender Strudel
stieg auf, und kreisförmig liefen die Wellen ans Ufer. Atemlose Stille folgte.
Tutulla ließ sich erschöpft vor Aufregung auf den Bootsrand nieder, und der
blinde Fährmann lauschte verstört dem Aufspritzen des Wassers nach. Auch ohne
zu sehen, hatte er begriffen, was geschehen war.
Dann kam Bewegung in die drei Utze. Ihre roten
Bärte und Haarschöpfe flammten auf. Sie stürzten an den Rand des Sees, und es
sah aus, als hätten sie alle Gefahr vergessen und wollten dem Stein
nachspringen. Aber das Wasser wirkte wie ein Bannkreis auf sie. Sie standen wie
angewurzelt und starrten weit vorgebeugt in die dunkle Flut. Neben ihnen
klammerte sich der Salamander ans Ufergestein und quarrte fassungslos vor sich
hin.
Keiner achtete auf Kalle Wirsch. Der Ausgang zum
Tunnel lag jetzt frei vor ihm. Durch einen Blick verständigte er sich mit
Tutulla, und ehe die drei Utze und der Salamander wieder zu sich kamen, war er
mit der Fledermaus verschwunden.
Gutz richtete sich als erster auf und wich auf
den sicheren Uferstreifen zurück. Butz und Dutz folgten ihm.
»Und jetzt?« fragten alle drei gleichzeitig.
»Jetzt hat sich Kalle Wirsch davongemacht, und
der Uranstein ist auch weg«, stellte der Salamander fest.
»Das sehen wir selbst«, knurrte Gutz.
»Auf, Brüder, wir jagen Kalle Wirsch nach!« rief
Butz.
»Was nützt uns dieser Wirsch?« sagte Gutz. »Er
hat keinen Uranstein mehr, und tauchen kann er auch nicht.«
Da hatte Dutz einen Einfall. Er deutete auf den
Salamander. »Aber der!« rief er. »Der kann tauchen.«
Die beiden andern Brüder nickten beifällig. »Da
hätte er doch selbst drauf kommen können, dieser elende Molch. Wenn’s an die
Arbeit geht, drückt er sich.«
»Los, tauche!« befahl Gutz.
Aber der Salamander richtete sich in heftiger
Abwehr auf.
»Niemals!«
»Du widersetzt dich?« schrie Butz. »Du
verweigerst uns den Dienst?« Er ging drohend auf den Feuersalamander zu.
»Laßt mich euch doch erklären«, rief der
Salamander. »Niemand kann es wagen, auf den Grund zu tauchen. Da unten ist’s
unheimlich und gefährlich. Noch keiner ist lebendig wieder heraufgekommen.«
»Unheimlich? Gefährlich? Was du nicht sagst!«
schrien die Utze. »Was soll da unten schon sein? Spare dir dein Geschwätz.
Tauche!«
»Wenn ihr mich auf den Grund des Sees schickt«,
wehrte sich der Salamander, »bin ich verloren. Und den Uranstein habt ihr dann
auch nicht.« Plötzlich kam ihm eine Idee. »Probiert es doch aus. Laßt den
Fährmann tauchen.«
»Hohoho«, lachten die Utze. »In der Not kommen
ihm die besten Einfälle. Natürlich, der Fährmann-Meermann! Klar, der soll
tauchen.«
Der Fährmann hockte auf der Bootswand; seine
Froschfüße baumelten über dem Ufer. »Nein«, flüsterte er, »nicht auf den
Grund.«
»Du wirst tauchen«, knirschte Gutz.
»Hilf mir, Kalle Wirsch«, jammerte der Fährmann.
Der Salamander lachte höhnisch. »Den rufst du
vergeblich. Der feige König hat sich in Sicherheit gebracht.«
Gutz trat nah an den Fährmann heran und sagte:
»Letzte Warnung! Bring den Uranstein herauf, sonst verbrennen wir dein Boot.«
Unerbittlich waren die drei. Der Fährmann machte
einen verzweifelten Versuch zu fliehen. Mit aller Kraft stieß er den Kahn in
den See und sprang hinein. Ehe er aber das Ruder ergreifen konnte, brüllten die
drei Utze: »Feuer!«
Das Boot war nicht weit genug entfernt; der
Flammenstrahl aus ihren Fäusten erreichte es noch. Es fing sofort Feuer und
trieb lichterloh brennend auf den See hinaus.
Im letzten Augenblick sprang der Fährmann ab und
schwamm ans Ufer. Aber eine Rettung war das nicht. Die Wilden Utze drangen in
ihrer Wut auf ihn ein, und sie hätten ihn getötet — wenn Kalle Wirsch nicht
gewesen wäre.
7. Kapitel
Das
Wasserloch
K alle Wirsch nämlich war nicht davongeschlichen, um sich selbst in
Sicherheit zu bringen. Er wollte ein Ende
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