Kalle Wirsch und die Wilde Utze
machen mit diesen gewalttätigen
Feuermännern.
Mit Tutulla war er zuerst ein Stück durch den
Tunnel am Uferplatz geeilt, von da aus fanden sie eine steil ansteigende
Treppe. Sie führte in eine Grotte, die genau über dem See der Finsternis lag.
Durch die Grotte aber floß ein reißender Bach.
»Was hast du vor, Kalle Wirsch?« fragte Tutulla.
»Du wirst es gleich erfahren.«
Kalle Wirsch lief am Rand des Baches entlang und
prüfte mit den Augen die Steine, um die das Wasser brauste. Endlich blieb er
stehen.
»Da!« rief er. »Siehst du die Kugel dort? Das
ist die Stelle.«
Die Kugel, auf die Kalle Wirsch deutete, war ein
glattgeschliffener Granit. Er lag mitten im Wasser. Ein Eisenring war
hineingeschlagen, an dem eine Stange befestigt war.
»Wofür ist die Stange?«
Kalle Wirsch sprang über ein paar abgeplattete
Steine, bis er die Stange erreichte, und packte sie mit beiden Händen.
»Mit der hebe ich den Verschlußstein«, erklärte
er Tutulla, die ihm verständnislos zuschaute. »Jetzt paß auf!«
Er legte die Mitte der Stange auf einen etwas
höher aus dem Wasser ragenden Stein und stemmte sich am äußersten Ende darauf.
So wirkte sie wie ein Hebel. Die Stange schabte und ruckte auf der Stütze, die
Granitkugel knirschte in ihrer Kuhle. Niemals hätte ein Geschöpf von Kalle
Wirschs Größe den schweren Stein bewegen können. Aber der König der
Unterirdischen besaß Kräfte, die nicht aus seinem Körper kamen. Trotzdem mußte
er die Stange noch mehrmals mit großer Anstrengung hinabdrücken, bis die Kugel
am andern Ende nachgab. Endlich hob sie sich und rollte ein Stück zur Seite.
Jetzt sah Tutulla, was Kalle Wirsch mit
»Verschlußstein« gemeint hatte: Die Kugel hatte ein Loch verdeckt, das durch
den Felsen hinunter zum See der Finsternis ging. Sie hatte verhindert, daß das
Wasser abfloß. Aber jetzt, nachdem sie beiseite gerollt war, stürzten die
Fluten rauschend hinab. Das Wasser ergoß sich aus dem Deckengewölbe über den
Anlegeplatz und in den See, der wild aufschäumte. Klatschend spritzte es gegen
alle Wände. Kein Winkel blieb trocken.
Für den blinden Fährmann war das eine Rettung im
letzten Augenblick. Die Wilden Utze hatten bereits ihre Fäuste gegen ihn
erhoben, da spürten sie das herabschießende Wasser auf ihren heißen Leibern.
»Wa... Wa... Wa...!« kreischten sie.
Sie ließen vom Fährmann ab und wollten sich in
den Tunnel flüchten, aber es war zu spät. Über die Öffnung zum Tunnel strömte
ein dichter Vorhang aus Wasser und riegelte ihn ab. Wohin sie traten, patschten
sie in Pfützen. Sie schlugen mit ihren Feuerfäusten wild um sich und
versuchten, das Wasser verdampfen zu lassen. Aber sie kamen gegen die Flut
nicht an, die unaufhaltsam herunterstürzte.
Das Gebrüll der Utze ging in Winseln über.
»Wa... Wa... Wa...«, jammerten sie.
Ihre Körper wurden immer dünner und schwächer.
Dann flammten sie noch einmal auf und verlöschten zischend.
Das alles war sehr schnell gegangen.
Der Fährmann lehnte wie betäubt an der Felswand,
während der Salamander quarrend in der Nässe herumschwänzelte.
»Butz, Dutz, Gutz! — Wo seid ihr?«
Es kam keine Antwort mehr.
Da verzog der Feuersalamander sein Maul und
sagte: »Die hat’s erwischt. Wer hätte gedacht, daß so wilde Naturen ein derart
klägliches Ende nehmen.«
Er beschloß, sich einen neuen, stärkeren Herrn
zu suchen. Und weil er Kalle Wirsch nicht mehr begegnen wollte, kroch er
schleunigst davon.
Kalle Wirsch und Tutulla konnten sich zwar
vorstellen, was sich auf dem See der Finsternis ereignet hatte, sehen konnten
sie es aber nicht. Tutulla wollte sicher sein, daß Kalle Wirschs Plan geglückt
war, deshalb flog sie durch den Tunnel hinunter, um nachzuschauen.
Sie fand den Fährmann zusammengesunken am Ufer.
Im Wasser schwammen die verkohlten Reste seines Kahns. Von den Wilden Utzen war
keine Spur mehr zu erblicken. Das Wasser aus dem Loch in der Decke stürzte noch
immer im Schwall herab.
»Wo sind sie?« fragte Tutulla.
»Ausgelöscht, erledigt«, antwortete der
Fährmann.
»Das muß ich Kalle Wirsch gleich melden«, rief
die Fledermaus. Nun konnte Kalle Wirsch die Steinkugel auf das Loch
zurückrollen. Da floß das Wasser wieder in seiner gewohnten Bahn durch die
obere Grotte.
Als Kalle Wirsch mit Tutulla zum See der
Finsternis kam, kauerte der Fährmann noch immer unbeweglich am Ufer. Kalle
Wirsch legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter. »Mit den Wilden Utzen
sind wir fertig.«
Der
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