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Kalle Wirsch und die Wilde Utze

Kalle Wirsch und die Wilde Utze

Titel: Kalle Wirsch und die Wilde Utze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilde Michels
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Fährmann schaute dankbar zu ihm auf und
nickte.
    »Aber der Uranstein«, sagte Tutulla, »der liegt
auf dem Grund des Sees.«
    Kalle Wirsch ging eine Weile schweigend am Ufer
auf und ab, dann blieb er vor dem Fährmann stehen.
    »Sag mir, Fährmann, was gibt es da unten im See
der Finsternis? Warum ist es so gefährlich, auf den Grund zu tauchen?«
    Der Fährmann hob den Kopf, und seine blinden
Augen zuckten unruhig. »Ich weiß es nicht, Kalle Wirsch. Alle munkeln darüber,
aber niemand kann es dir richtig sagen. Ich habe es einige Male erlebt, daß
sich jemand hinuntergewagt hat; vielleicht aus Neugier, vielleicht aus
Abenteuerlust oder in der Hoffnung auf einen verborgenen Schatz. — Keiner ist
wieder heraufgekommen. Sie blieben da unten ohne Zeichen, ohne Spur.«
    Kalle Wirsch und Tutulla schauten entmutigt in
das glatte, unbewegte Wasser.
    »Wenn das so ist«, sagte Tutulla, »dann mußt du
den Uranstein verloren geben.«
    »Verloren geben?« murmelte der kleine König.
»Unseren Schutz, die einzige Waffe, die unsere Gegner fürchten?«
    »Was willst du denn tun? Wer soll ihn
heraufholen?«
    Da richtete sich der Fährmann auf und sagte
leise: »Ich! — Ich will es versuchen.«
    »Fährmann, du?« Kalle Wirsch fragte es in tiefem
Erstaunen. »Willst du wirklich dein Leben aufs Spiel setzen für uns?«
    »Mein Leben ist nichts mehr wert«, sagte der
Fährmann. »Das Boot ist zerstört. Ich habe keine Aufgabe mehr und keine
Hoffnung auf Erlösung. — Ich werde tauchen. Entweder ich komme zurück und
bringe den Uranstein, oder...«
    Er sprach nicht zu Ende, aber es war klar, was
dieses »oder« bedeutete.
    Tutulla jammerte auf. »Er kann doch nicht so
schutzlos auf den Grund tauchen. Er besitzt nicht einmal eine Waffe.«
    Aber in Kalle Wirschs Augen blitzte es plötzlich
hell, wie immer, wenn ihm etwas eingefallen war.
    »Ich habe ein zauberkräftiges Messer schmieden
lassen«, sagte er. »Das ist jetzt beim Kohlen-Juke. Er sollte den Griff dazu
schnitzen.«
    »Das Lazium-Messer!« schrie Tutulla. »Es ist
fertig. Juke hat es mir schon gezeigt.«
    »Ich will es dem Fährmann mitgeben«, sagte Kalle
Wirsch. »Mit diesem Messer kann er sich wehren. Es schneidet alles, sogar
Steine und Metall. — Flieg, Tutulla! Hol den Juke. Er soll das Messer
herbringen.«
    Tutulla war glücklich, etwas tun zu können. Sie
hielt es nicht aus, ratlos und untätig zu sein.
    »Ich eile, ich fliege, ich bin so schnell wie
möglich mit dem Juke zurück«, rief sie und verschwand über den See.
     
    Der Kohlen-Juke ahnte nicht, was sich am See der
Finsternis abgespielt hatte. Er befand sich wieder einmal in einem Zustand
höchsten Glücks. Er hatte nämlich entdeckt, daß es Wörter gibt, die sich
reimen, und nun reimte er, wo er ging und stand.
    »Schall, All, Knall, Fall«, murmelte er
versonnen vor sich hin. »Essen, fressen, versessen, vergessen, messen, indessen...
oooh, da gibt es viele! Da muß ich gleich ein Gedicht machen.«
    Aber bevor er dazu kam, wurde er von Tutulla aus
seinen Gedanken gerissen.
    »Juke!« schrie sie schon von weitem. »Hej,
Juke!«
    Juke sah ihr erfreut entgegen.
    »Tutulla! Wie schön, daß du kommst. Ich mache
gerade ein Gedicht. Wenn ich will, kannst du sogar darin vorkommen. Dichter
können alles.«
    »Juke«, drängte Tutulla, »es ist jetzt keine
Zeit zum Dichten.«
    »Ooh doch.« Jukes Gesicht war von einem Lächeln
verklärt. »Zum Dichten ist immer Zeit. Hör zu, du wirst entzückt sein.«
    Und ehe Tutulla ihn unterbrechen konnte, begann
er:
     
    »Tutulla
ist verfressen,
    ist
ganz versessen aufs Essen.
    Indessen
hat sie vergessen,
    ihren
kessen Bauch zu messen.«
     
    Juke glänzte über das ganze Gesicht vor Freude.
»Hohoho, ein Gedicht! Ich habe ein Gedicht gemacht. Soll ich’s nochmal sagen?«
    »Nein, nein, nein«, schrie Tutulla.
    Aber Juke nickte trotzdem unbekümmert und
erklärte. »Ich sag’s nochmal: Tutulla ist verfressen...«
    »Halt, Juke! Sei doch vernünftig.« Tutulla
flatterte ihm aufgeregt vor der Nase herum. »Der Uranstein liegt im See der
Finsternis. Kalle Wirsch braucht deine Hilfe. Dringend.«
    »Hilfe? Dringend?« wiederholte Juke. »Ooh, das
ist etwas anderes. Was will er von mir?«
    »Du mußt ihm das Lazium-Messer bringen.«
    »Das Messer? Er braucht es? Oh, wie gut, daß der
Griff fertig ist. Hoffentlich gefällt er ihm. — Komm, Tutulla, wir wollen
eilen.«
    Er holte das Lazium-Messer aus der Steintruhe
und steckte es in eine Scheide aus Leder. Im Laufen reimte

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