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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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ich.
    Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. »Sie gehören nicht zu dieser Sorte von Wissenschaftlern.«
    »Nein?«
    »Ich habe Sie beobachtet und Ihnen zugehört. Sie interessieren sich für Philosophie – für die Bedeutung der Dinge, für die großen Fragen. Ihr Gebiet ist die Seele.«
    Ich fühlte mich, als sollte ich verstoßen werden. »Schon, aber das heißt doch nicht ...«
    Er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Ich habe einen Vorschlag für Sie.«
    Schweigend wartete ich.
    »Haben Sie jemals daran gedacht, an einem Priesterseminar zu studieren und Geistlicher zu werden?«
    »Geistlicher?«
    »Ein spiritueller Führer. Ein moralisches Vorbild für die Gemeinschaft. In den heutigen Zeiten brauchen wir solche Menschen dringend.«
    »Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen«, antwortete ich. »Sind Sie religiös?«
    Ich überlegte, ob ich ihm von meiner Abneigung gegen die institutionalisierte Religion – überhaupt gegen alles Institutionalisierte – erzählen sollte. Aber ich wußte, daß er ein frommer Jude war. »Ich denke schon, daß ich an Gott
    glaube«, sagte ich deshalb.
    »Sie denken ...« Er nickte mit einem Seufzer. »Ich verstehe.«
    Die Longwood Avenue endet an einer Ampel in der Nähe der Auffahrt zum Storrow Drive. Als es grün wurde, rührte sich das Auto vor mir nicht von der Stelle. Ich wartete ein paar Sekunden und drückte dann auf die Hupe. Endlich setzte
    sich der Wagen in Bewegung, allerdings im Schneckentempo. Ich trat aufs Gas und überholte ihn.
    Damals war mir Weitzmans Rat abstrus vorgekommen, doch offenbar war etwas davon hängengeblieben. Als ich in jenem Herbst an die Universität zurückkehrte, belegte ich als zweites Hauptfach Philosophie. Nachdem ich an der medizinischen
    Fakultät vier Jahre lang jedes Körperorgan studiert, untersucht und seziert hatte, wählte ich ein Fach, das sich mit der Heilung des Geistes befaßte. Wenigstens war es das, bevor die Versicherungen und die Pharmaindustrie ihm die Seele genommen haben.
    Da es immer offensichtlicher schien, daß Westmoreland den Mord begangen hatte, fragte ich mich inzwischen, ob meine damalige Entscheidung richtig gewesen war. Vielleicht hätte ich mich besser den Nieren oder der Netzhaut widmen sollen, wo sich Ergebnisse in Millilitern von Urin oder der prozentualen Sehschärfe messen lassen. Denn irgendwie stand ich mit der Psychiatrie auf Kriegsfuß. Emma Hancock brachte immer wieder Prescott aufs Tapet, doch das war nicht der erste Fall, den ich vermasselt hatte.
    1988, als ich noch eine private Praxis besaß, behandelte ich einen Jugendlichen namens Billy Fisk. Billy war als Vierjähriger von seinen leiblichen Eltern im Stich gelassen worden und danach in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen. Mit zwölf trank er schon regelmäßig Alkohol: mit vierzehn stahl er sein erstes Auto. Nachdem er sechsmal wegen schweren Raubes verhaftet worden war, schickte man ihn zu mir in die Therapie. Er war gerade sechzehn geworden und saß eine Strafe in einem Jugendgefängnis ab.
    »Du mußt aufhören zu klauen«, schärfte ich ihm bei unserer ersten Sitzung ein.
    Er war schon so groß wie ich und hatte ziemlich breite Schultern. Vom Mundwinkel aus verlief eine Narbe, die er sich bei einer Straßenschlägerei zugezogen hatte, über seine linke Wange.
    »Etwa Ihnen zuliebe?« höhnte er.
    »Du hältst mich wohl für eine totale Null«, gab ich im selben Ton zurück. »Und deshalb interessiert es dich auch einen Scheiß, was ich sage.«
    Er zuckte zwar die Achseln, sah mir aber zum erstenmal in die Augen.
    »Du solltest aufhören zu klauen, weil du absolut unbegabt bist. Du wirst jedesmal erwischt.«
    »Nicht jedesmal.« Er grinste selbstzufrieden.
    »Okay, dann eben ziemlich unbegabt.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Sie haben doch noch nie was abgezockt.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Er verdrehte die Augen. »Sie sind doch Arzt.«
    »Moment mal ... Ein Fahrrad. Eine Kiste Orangen. Mehr Straßenschilder, als ich verstecken konnte. Eine Stereoanlage. Und einmal einen Gabelstapler, da war ich etwa in deinem Alter.«
    »Sie haben einen Gabelstapler mitgehen lassen?«
    »Eigentlich wollte ich ihn gar nicht haben. Ich meine, mit einem Gabelstapler konnte ich schließlich überhaupt nichts anfangen. Aber ich brauchte einfach etwas. Ich bin nur nicht dahintergekommen, was es war.«
    Er nickte. »Es ist, als ob man Hunger hat, der nicht weggeht, wenn man was ißt.«
    »Er wird eher schlimmer.«
    Nachdem ich von

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