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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht etwa am Ende eines roten Gangs, sondern unmittelbar vor ihm, so als wäre sie kaum einen halben Meter von ihm entfernt, und sie blickte durch ein rundes Fenster mit einem Durchmesser von knapp zwei Metern, das keinen Rahmen hatte.
    Vom Badezimmer aus hatte es den Anschein gehabt, als wäre Shepherd weit weg gewesen, eine schwache Silhouette vor blauem Licht. Jilly sah von diesem Ende aus lebensgroß aus. Trotzdem wusste Dylan sofort, dass sie ihn als winzige Gestalt an Sheps Seite wahrnahm. Sie beugte sich gerade zum Eingang des Tunnels vor, an dem er eben noch selbst gestande n h atte, und spähte bange hinein, um sein weit entferntes Gesicht zu erkennen.
    Ihr Mund ging auf, ihre Lippen bewegten sich. Vielleicht rief sie seinen Namen, aber obwohl sie unmittelbar vor Dylan zu stehen schien, konnte er sie nicht hören, nicht einmal ganz leise.
    Der Anblick des Badezimmers, der wie eine riesige Luftblase über dem Hügel schwebte, verwirrte Dylan. Ihm wurde schwindlig. Der Boden unter ihm begann wie eine Wasserfläche zu gleiten, und er hatte das Gefühl, von einem Traum gekidnappt worden zu sein.
    Am liebsten wäre er sofort wieder aus dem trockenen Gras ins Motel getreten. Obwohl er unversehrt auf diesem Hügel eingetroffen war, hatte er nämlich Angst, irgendeinen wichtigen Teil von sich zurückgelassen zu haben, einen unentbehrlichen geistigen Faden, ohne den er alsbald den Verstand verlieren würde.
    Von Neugier getrieben, ging er stattdessen um das Tor herum, um festzustellen, wie es von der Seite her aussah. Er fand heraus, dass das Portal in keiner Weise einem Fenster oder einer Blase ähnelte, sondern eher einer riesenhaften, auf dem Rand stehenden Münze. Von der Seite gesehen, hatte es das schmale Profil eines Geldstücks, allerdings ohne die Rillen, die sich auf dem Rändelrand der meisten Münzen befanden. Die dünne, silberne Rundung, die sich aus dem verdorrten Gras erhob und vor dem hellen blauen Himmel kaum zu sehen war, war vielleicht sogar schmaler als der Rand einer Münze, ja kaum mehr als ein Faden, so als wäre das Tor nur eine Scheibe, so durchscheinend und dünn wie die Membran eines Insektenflügels.
    Dylan stapfte durchs Gras, bis er sich auf der Rückseite des Portals befand. Von dort aus hatte er seinen Bruder nicht mehr im Blick.
    Vom Punkt aus gesehen, der seiner ersten Position genau gegenüberlag, bot das Tor exakt denselben Anblick wie vo n v orn. Das schäbige Badezimmer des Motels und Jilly, die sich bange vorbeugte und mit zusammengekniffenen Augen herausschaute.
    Shep nicht mehr im Blick zu haben machte Dylan auf einmal ganz nervös. Schnell ging er weiter um das Tor herum bis zu der Stelle an der Seite seines Bruders, von der aus er seine Inspektion begonnen hatte.
    Shep stand noch genauso da, wie Dylan ihn verlassen hatte. Mit herabhängenden Armen und nach rechts geneigtem Kopf blickte er nach Westen auf vertrautes Terrain. Sein träumerisches Lächeln drückte Melancholie und Freude aus.
    Im Norden und Süden breiteten sich sanfte, mit goldenem Gras bedeckte Hügel aus, hier und da geschmückt mit weit auseinander stehenden kalifornischen Lebenseichen, die jetzt am Morgen lange Schatten warfen. Der Hügel, auf dem die beiden Brüder standen, ging in eine lange Wiese über. Westlich davon stand ein viktorianisches Haus mit einer breiten Veranda an der Rückseite. Jenseits des Hauses gab es weitere üppige Wiesen und einen Schotterweg, der zu einer Landstraße entlang der Küste führte. Einen halben Kilometer westlich des schwarzen Asphaltbandes nahm der gewaltige Spiegel des Pazifiks die Farbe des Himmels in sich auf und verdichtete sie zu einem tieferen und feierlicheren Blau.
    Es war das Haus, in dem Dylan aufgewachsen war. Es stand ein gutes Stück nördlich der kalifornischen Stadt Santa Barbara an einem dünn besiedelten Küstenstreifen, eine halbe Meile vom nächsten Nachbarhaus entfernt. Hier war die Mutter von Dylan und Shep vor über zehn Jahren ums Leben gekommen, und hierher kehrten sie noch immer von ihren langen Reisen zu den vielen Kunstfestivals im Westen und Südwesten zurück.
    » Ich glaub, ich hab ’ ne Meise! « Dylans Verblüffung machte sich in Form dieses banalen Satzes Luft, so wie er etwa Verdammter Mist! gerufen hätte, wäre sein Lotterielos um ein e Z ahl am Höchstgewinn vorbeigerauscht, und Autsch! oder etwas Anstößigeres, hätte er sich mit einem Hammer auf den Daumen gehauen. Er war verwirrt, er hatte Angst, und weil es ihm den Schädel

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