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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht jene Anziehungskraft besaß, durch die die Gesellschaft so wurzellos und oberflächlich geworden war.
    Schamröte stieg ihm ins Gesicht, als er an seine Tirade auf dem Hügel dachte. Da hatte er Shepherd » unerträgliche Routine « und » dumme Wiederholung « vorgeworfen, als ob der arme Kerl eine andere Wahl hatte, als der zu sein, der er war.
    Beglückt zu sein, weil sein Leben womöglich eine radikale Veränderung durchmachte, kam Dylan reichlich leichtsinnig vor. Schließlich hatte er keinerlei Ahnung, ob die kommenden Veränderungen sich als gut oder schlecht erweisen würden. Angesichts dessen, dass sie für Shepherd eindeutig mehr Gefahr bargen als für ihn oder Jilly, war seine freudige Erregung eigentlich sogar schlimmer als leichtsinnig, nämlich oberflächlich und selbstsüchtig.
    Auge in Auge mit seinem Spiegelbild argumentierte er schweigend, seine Freude über Veränderungen jedweder Art sei nichts Schlimmeres als ein Ausdruck seines grenzenlosen Optimismus. Sogleich wurde ihm klar, dass dieses Argument, laut ausgesprochen, auch nicht stichhaltig geklungen hätte. Bestürzt über den Menschen, den er sah, wandte Dylan sich vom Spiegel ab und beschwor sich, seine neuerdings ungewisse Zukunft mit mehr Vorsicht oder Sorge zu betrachten, was auf seine freudige Erregung allerdings nicht den geringsten Einfluss hatte.
    *
    Niemand hätte Holbrook, Arizona, je vorgeworfen, ein lärmendes Kommerzzentrum zu sein. Wenn nicht gerade das Wildwestfestival im Juni stattfand, die Ausstellung indianischer Kunst im Juli und der Navahomarkt im September, konnte ein Gürteltier ohne Hast jede Wohn- und Durchgangsstraße überqueren, ohne von einem Kraftfahrzeug überrollt zu werden.
    Trotzdem entdeckte Jilly, dass die Zimmer ihres Zweisternemotels mit einem von der Telefonleitung getrennten Modem ausgestattet waren. Zumindest in dieser Hinsicht war es als Unterschlupf genauso gut geeignet wie das Hotel Peninsula in Beverly Hills.
    Jilly setzte sich an den kleinen Schreibtisch, klappte ihren Laptop auf, schloss ihn an und surfte im Internet. Sie hatte schon damit begonnen, nach Websites zu suchen, die sich mi t F orschungen zur Verbesserung der Gehirnfunktion befassten, als Shepherd im Badezimmer » Ding! « rief und der Timer gleich darauf die letzte Sekunde seiner neunminütigen Dusche verkündete.
    Websites, in denen es darum ging, die geistige Beweglichkeit durch Vitamintherapie und Diäten zu verbessern, schloss Jilly aus. Frankenstein hatte nicht wie ein Typ ausgesehen, der sich für Biokost und homöopathische Medizin begeistern konnte.
    Außerdem kümmerte sie sich nicht um Sites über Yoga und andere Meditationsformen. Selbst der brillanteste Wissenschaftler war nicht in der Lage, die Grundlagen einer meditativen Disziplin zu destillieren, um sie dann irgendwelchen Leuten wie einen Grippeimpfstoff zu injizieren.
    Geduscht, mit feuchtem Haar, einem frischen Paar Jeans und einem sauberen T-Shirt mit Wile E. Coyote vorne drauf kam Shepherd aus dem Badezimmer.
    Dylan folgte ihm einige Schritte. » Jilly, kannst du Shep im Auge behalten? «, fragte er dann und wandte sich wieder dem Bad zu. » Pass auf, dass er nicht … irgendwo hingeht. «
    » Klar. «
    An einem kleinen Tisch am Fenster standen zwei weitere Stühle. Jilly holte einen davon an ihren Schreibtisch, damit Shep sich neben sie setzen konnte.
    Was er jedoch nicht tat. Er ignorierte ihre Einladung, ging in die Zimmerecke in ihrer Nähe und blieb dort mit dem Rücken zum Zimmer stehen.
    » Alles in Ordnung, Shep? «
    Shepherd antwortete nicht. Da, wo die Wände zusammentrafen, waren die Tapetenbahnen – dekoriert mit beigen, gelben und blassgrünen Streifen – nachlässig zusammengefügt worden. Langsam bewegte Shep den Kopf auf und ab, als studierte er das nicht zusammenpassende Muster.
    » Kleiner, was ist denn? «
    Nachdem er die schlampige Arbeit des Tapezierers zweimal vom Boden bis zur Decke begutachtet hatte, starrte Shep geradeaus auf den Berührungspunkt der beiden Wände. Bisher hatte er die Arme schlaff herabhängen lassen, nun hob er den rechten Arm wie zum Schwur: am Ellbogen gebeugt, die flache, nach vorn weisende Hand neben dem Gesicht. Kurze Zeit später begann er zu winken, als würde er nicht in eine Ecke blicken, sondern durch ein Fenster hindurch zu jemandem hin, den er kannte.
    Dylan kam wieder aus dem Bad, diesmal, um sich frische Sachen aus seinem Koffer zu holen.
    » Hör mal, wem winkt er da zu? «, fragte Jilly.
    »

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