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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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verbunden als zu der Zeit, als sie hier noch im Chor gesungen hatte.
    Vielleicht wäre sie einige Minuten auf dem Dach stehen geblieben, um sich zu beruhigen und ihr Selbstvertrauen zurückzugewinnen, aber diese Möglichkeit war ihr verwehrt. Drei, höchstens vier Sekunden nach ihrer Ankunft begann sie zu rutschen.
    Ob der Schiefer schon beim Decken des Dachs schwarz gewesen war, wusste Jilly nicht. Vielleicht war er auch eher grau, grün oder rosa gewesen. Nun, inmitten eines regenlosen Sommers, sahen die Schindeln glatt und schwarz aus, weil die ölige Luft vieler Smogtage eine Rußschicht hinterlassen hatte.
    Dieser Ruß war so fein wie pulverisierter Graphit. Graphitpulver war ein ausgezeichneter Schmierstoff, und das war dieser Ruß ebenfalls.
    Glücklicherweise startete Jilly in der Nähe des Dachfirsts, und deshalb rutschte sie nicht sofort bis zur Kante, um auf das hinabzustürzen, was sie dort unten erwartete, zum Beispiel ein Knochen brechendes Betonpflaster, die Spieße eines Eisenzauns oder ein Rudel wilder Pitbulls. Sie glitt etwa drei Meter weit, gewann allzu abrupt wieder Haftung und wäre fast kopfüber hingestürzt, blieb jedoch stehen.
    Dann rutschte sie wieder. Sie kam sich vor wie eine Skispringerin, die so schwungvoll auf die Kante einer schwarzen Schanze zufuhr, als wollte sie sich für die Winterolympiade qualifizieren.
    Jilly trug Sportschuhe und war selbst ziemlich sportlich, aber sich stoppen konnte sie nicht. Obwohl sie mit den Armen wie ein Holzfäller bei einem Wettkampf im Baumstammrollen ruderte, verlor sie ständig fast das Gleichgewicht und schwankte hin und her; und dann flog eines ihrer Beine wie von selbst in die Höhe. Während ihr klar wurde, dass sie gleich aufs Steißbein fallen würde, wünschte sie sich einen fetten Hintern statt ihres mageren kleinen Popos herbei, aber nun rächten sich all die Jahre der Donut-Abstinenz endlich, und da rasten auch schon die Kante und die große Leere auf sie zu.
    Moment mal! Sie weigerte sich, bloß wegen ihrer ständigen Negativität zu sterben. Sie besaß die Willenskraft, ihr Schicksal zu gestalten, statt sein Opfer zu sein.
    Das Rundherum aller Dinge in seiner wunderschönen, elfdimensionalen Einfachheit faltete sich auf ihr Kommando, und sie verließ das rußige Dach, ohne den Rutsch in den Tod zu vollenden.
    *
    Während Jilly auf den Boden der Kirche zustürzte, verschwand sie einfach, und die Schreie der Hochzeitsgäste schraubten s ich in die Höhe, worauf der Organist von seiner Tastatur abließ. Mit einem Mal brachen die Schreie abrupt ab. Die Menge schnappte kollektiv nach Luft.
    Shepherd blickte auf das Schauspiel hinab. » Mann! «, sagte er.
    Dylan riss sich von der Szene los, um den Blick schnell auf das östliche Gerüst zu richten, wo der Killer mit dem Sturmgewehr stand. Noch hatte der Mann nicht abgedrückt. Vielleicht war er zu verblüfft, um seine Absicht in die Tat umzusetzen, aber sein Zögern würde nicht lange dauern; bestimm t w ar sein Hass stark genug, um innerhalb weniger Sekunden das Staunen auszulöschen, Zeuge eines scheinbaren Wunders gewesen zu sein.
    » Kleiner, von hier nach dort! «
    » Mann! «
    » Bring uns da rüber, Kleiner, zu dem bösen Kerl da! «
    » Nachdenken. «
    » Denk nicht nach, Kleiner, tu ’ s einfach. Von hier nach dort. «
    Unten auf dem Boden der Kirche wandte sich unterdessen die Mehrzahl der Hochzeitsgäste, die während Jillys Erscheinen und Verschwinden mitten in der Luft nicht in die Höhe geblickt hatten, an jene, die alles mitbekommen hatten. Eine Frau begann zu weinen, und eine schrille Kinderstimme – zweifellos die eines gewissen Mädchens mit Zöpfen – rief:
    » Ich hab ’ s euch ja gesagt, ich hab ’ s gesagt! «
    » Kleiner … «
    » Nachdenken. «
    » Um Himmels willen … «
    » Mann! «
    Zwangsläufig bemerkte jemand aus der Menge, eine Frau in einem rosa Kostüm und einem rosa Hut mit Federn, den dritten Killer, der nach vorn geneigt auf dem Gerüst stand und herabschaute, wobei er durch das in der Wand verankerte Seil am Fallen gehindert wurde. Offenbar hatte die Dame in Rosa auch seine Waffe entdeckt. Sie hob deutend den Arm und begann zu kreischen.
    Nichts wäre besser geeignet gewesen als dieser Entsetzensschrei, um den Killer aus seiner Erstarrung zu reißen.
    *
    Nachdem Jilly das rußige Dach mit der Plattform des Gerüsts vertauscht hatte, entfaltete sie sich in der Erwartung, den dritten Schützen vor sich zu sehen, um ihm gegen den Kopf, in die

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