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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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von Plattform zu Plattform geschafft.
    Sie kam ihrem Ziel bis auf zwei, drei Meter nahe.
    Gerade noch hatte sie neben Shep auf dem westlichen Gerüst gestanden, als sie sich auch schon mitten in der Luft entfaltete, mehr als sechs Meter über dem Boden der Kirche.
    Obwohl das, was sie getan hatte, trotz des knappen Scheiterns eine phantastische Leistung war, und obwohl die geschäftige Horde von Nanomaschinen und Nanocomputern sie in weniger als einem Tag mit erstaunlichen Kräften ausgestattet hatten, konnte Jillian Jackson nicht fliegen. Sie materialisierte sich nahe genug an dem dritten Killer, um seine völlig verblüffte, glotzäugige Miene sehen zu können; und eine Sekunde lang schien sie in der Luft zu hängen, aber dann fiel sie herab wie ein fünfzig Kilogramm schwerer Stein.
    *
    Der mit einem Budweiser-T-Shirt getarnte Terrorist besaß wahrscheinlich einen ordentlich harten Schädel, denn wenn man sein Leben einer sinnlosen Brutalität widmen wollte, brauchte man einen guten Schutzpanzer gegen neue Ideen und den Klang der Wahrheit. Trotzdem erwies der Gewehrkolben sich als härter.
    Für einen Mann mit dem empfindsamen Gemüt eines Künstlers empfand Dylan beim Geräusch des auftreffenden Kolbens ein bedenkliches Vergnügen, und er hätte dem Burschen womöglich noch eins übergebraten, hätte er nicht gehört, wie Jilly » hier, dort « sagte. Die extreme Beklemmung in ihrer Stimme erschreckte ihn.
    Gerade als er zu ihr hinüberblickte, faltete sie sich zu einem Sternmuster aus bleistiftdünnen Linien zusammen, die sich sofort zu einem winzigen Punkt zusammenzogen und verschwan den. Dylans jagendes Herz schlug einmal, zweimal – eine Sekunde verging, vielleicht auch weniger –, bevor Jilly mitten in der Luft, hoch über den Hochzeitsgästen, wieder auftauchte.
    Wieder vergingen zwei von Dylans explosiven Herzschlägen, während Jilly in der Luft hing und der Schwerkraft wie vom Brausen der Orgel getragen zu trotzen schien. Dann schrien einige der Hochzeitsgäste beim Anblick der unter der Decke schwebenden Gestalt erschrocken auf. Dylan stockte das Herz, und gerade als ein harter Schlag anzeigte, dass es seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, sah er Jilly in einen anschwellenden Chor aus Schreien stürzen.
    Mitten im Fallen verschwand sie.
     

44
    Zwar hatte Jillys Publikum auf ihr Programm gelegentlich mit Schweigen reagiert und sie bei seltenen Gelegenheiten sogar ausgebuht, aber noch nie hatten Zuschauer sie angeschrien. Vielleicht hätte Jilly beim Sturz auf ihre Köpfe ja zurückgeschrien, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, sich aus dem gähnenden Rachen des Todes zu zwicken und sich endgültig auf das östliche Gerüst zu falten, das ihr eigentliches Ziel gewesen war, als sie Dylan und Shep verlassen hatte.
    Rubinrote und saphirblaue Strahlen aus gläsernem Licht, verzierte Marmorsäulen, Reihen von Holzbänken, voll Schrecken nach oben gerichtete Gesichter – alles faltete sich von Jilly weg.
    Das Kaleidoskopmuster, das sich mit hoher Geschwindigkeit auf sie zufaltete, enthielt jedoch zu viel blau-weiße Helligkeit, um die Plattform auf dem östlichen Gerüst darzustellen.
    Als Jilly ankam, stand sie natürlich hoch auf dem Dach der Kirche. Diesmal war sie sogar noch weiter über ihr Ziel hinausgeschossen, statt es wie beim ersten Mal um höchstens drei Meter zu verfehlen. Azurblauer Himmel, bauschige weiße Wolken, goldener Sonnenschein.
    Schwarzer Schiefer.
    Das schwarze Schieferdach besaß eine Furcht erregend steile Neigung.
    Als sie am Dach entlang auf die Straße hinabblickte, bekam sie einen Schwindelanfall, und als sie daraufhin schnell zum Glockenturm hochschaute, der über dem Dach aufragte, wurde ihr Schwindel nur noch schlimmer.
    Natürlich hätte sie sich gleich nach der Ankunft wieder vom Kirchendach wegfalten sollen, aber sie zögerte, weil sie vor lauter Angst, einen noch größeren Fehler zu machen, die Nerven verlor. Wenn sie sich das nächste Mal entfaltete, steckte sie womöglich mit dem Rumpf in einer der Marmorsäulen unten und ruderte sterbend mit Armen und Beinen, weil ihre inneren Organe sich mit Stein gemischt hatten.
    Da sich Jilly nun aber schon einen derart schaurigen Fall vors Auge geführt hatte, würde er auch todsicher eintreten. Es würde ihr nicht gelingen, sich das Bild ihrer halben Versteinerung aus dem Kopf zu schlagen, und wenn sie sich von hier nach dort faltete, würde dort die Mitte einer Säule sein – und dann war sie enger mit der Kirche

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