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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dahinraste, desto größer wurde sein Gefühl der Dringlichkeit, und desto mehr war er davon besessen, immer weiter und rücksichtsloser an die Grenze zu gehen. Eine Schwerkraft von der Stärke eines Schwarzen Lochs zog ihn auf den flachen Horizont zu, hinter dem weder Materie noch Strahlung der Gewalt eines vernichtenden Strudels entgehen konnten. Weiter, weiter, WEITER wurde zu seinem Mantra. Es war eine Bewegung ohne erkennbaren Zweck, eine Bewegung um der Bewegung willen, westwärts, westwärts auf der Spur der schon lange verschwundenen Sonne und des noch sichtbaren, aber schwindenden Mondes.
    Vielleicht war diese wilde Jagd nach einem unbekannten und doch heiß begehrten Objekt das, was Frankensteins unglückseligste Opfer in jenen hektischen Minuten erlebten, bevor ihr rapide schwindender IQ sie durch eine Falltür ins Land des Schwachsinns und der Idiotie stürzen ließ.
    Wenn es nicht Ihre Persönlichkeit auslöscht, Ihre Fähigkeit zu linearem Denken zerrüttet oder Ihren IQ um sechzig Punkte reduziert …
    Vor ihnen ragte der Ort auf, den sie vor kurzem in solcher Hast erst verlassen hatten. Da hatten sie noch nichts anderes gefürchtet als eine Kolonne schwarzer Chevrolets im Rückspiegel, die wie der Nachen von Gevatter Tod auf Rädern glänzten.
    Dylan erwartete, unwiderstehlich von der Ausfahrt in der Nähe des Motels angezogen zu werden, wo Jillys Cadillac Coupe DeVille zum flammenden Sarg ihres Peinigers geworden war.
    Ein Blick auf den Tachometer – hundertvier Meilen pro Stunde – ließ sein bereits scharf dahintrabendes Herz in den Galopp fallen. Die Kurve der Rampe war selbst mit dem halben Tempo nicht zu bewältigen. Wenn er sich tatsächlich gezwungen fühlen sollte, die Interstate zu verlassen, so schaffte er es hoffentlich rechtzeitig, seinen Geschwindigkeitsrausch in den Griff zu bekommen. Falls nicht, würde sein Wagen die Leitplanke durchbrechen, die Böschung hinabstürzen und die passive Sicherheitsausstattung des Explorer einem endgültigen Elchtest unterziehen.
    Als sie sich der gefürchteten Ausfahrt näherten, verkrampfte Dylan sich zwar, spürte jedoch keine seltsame Anziehungskraft. Sie schossen an der Rampe vorbei wie ein Stuntteam, das sich auf einen Sprung über sechzehn aufgereihte Busse vorbereitete.
    Im Süden der Interstate leuchtete mitten im grellen Durcheinander von Reklameschildern bedrohlich der Name des Motels. Das rote Neon weckte Gedanken an Blut und Feuer; es rief die unzähligen Vorstellungen der Hölle wach, die von so vielen Künstlern mit morbider Leidenschaft geschaffen worden waren, von den Malern der Frührenaissance bis zu den Zeichnern moderner Comicalben.
    Das rhythmische Blinklicht von Polizei- und Rettungsfahrzeugen huschte über die Mauern des fernen Motels. Noch immer stiegen dünne graue Rauchfäden aus dem verkohlten Wrack des Coupe DeVille auf.
    In kaum mehr als einer halben Minute lagen die schwelenden Überreste eine Meile hinter ihnen. Sie näherten sich rasch der zweiten Ausfahrt des Ortes, die mehr als drei Meilen westlich der ersten lag.
    Als die Geschwindigkeit des Fords endlich rapide zu sinken begann, und als Dylan den rechten Blinker betätigte, hätte Jilly auf die Idee kommen können, dass er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er war jedoch genauso wenig Meister seines Schicksals wie in dem Moment, in dem er das waghalsige Wendemanöver durchgeführt und den Wagen über den Mittelstreifen gelenkt hatte. Irgendetwas lockte ihn wie Sirenengesang einen Seemann, und er war immer noch machtlos angesichts dieser unbekannten, fordernden Kraft.
    Die westliche Ausfahrt nahm er zwar zu schnell, aber nicht schnell genug, um den Wagen zum Rutschen oder ins Schlingern zu bringen. Weil er am unteren Ende der Rampe keine Autos auf der ruhigen Straße sah, überfuhr er ohne Zögern das Stoppschild und bog dann nach links in ein Wohngebiet ein, ohne den menschlichen und physikalischen Gesetzen auch nur die geringste Achtung zu schenken.
    » Euka, Euka, Euka, Eukalyptus «, hörte Dylan sich skandieren. Sein Mund bewegte sich völlig von selbst. Diese neue Wendung machte ihm nicht nur deshalb Angst, weil sie unheimlich war, sondern auch, weil er sich erschreckend wie Shep anhörte. » Eukalyptus, Eukalyptus fünf, nein, nicht fünf, Eukalyptus sechs, nein, Eukalyptus sechzig. «
    Trotz seiner visuellen Orientierung war er durchaus auch literarisch interessiert, und im Lauf der Jahre hatte er mehrere Romane über Leute gelesen, deren Gehirn von

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