Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
solchen Geschwindigkeit scharf zu wenden. Offenbar war bei Dylan O ’ Conner der helle Wahnsinn ausgebrochen. Er nahm den Fuß von der Bremse, kurbelte das Lenkrad mit beiden Händen nach links und trat wieder auf die Bremse, sodass der Wagen vom Asphalt schleuderte und sich mit qualmenden Reifen zu drehen begann.
    Inmitten einer Staubwolke drehte das schwere Fahrzeug sich auf dem breiten linken Randstreifen des Highways. Schotter prasselte an den Unterboden; ein grelles Ponk-plink-kracks, das so nervenaufreibend war wie Maschinengewehrfeuer. Das grelle Licht nahender Scheinwerfer brannte Jilly in den Augen. Mit der verzweifelten Lebensgier einer Todeskandidatin, die das leise Pfeifen der herabsausenden Guillotine hörte, holte sie so tief Luft, dass ihr fast die Lunge platzte. Sie schrie auf, als der Wagen wieder seine Ausgangsposition erreichte, und sie versäumte es, ein höfliches Synonym für Exkrement zu benutzen, nachdem sie sich um hundertzwanzig Grad weitergedreht hatten und schließlich ruckhaft mit der Schnauze nach Nordwesten zum Stehen gekommen waren.
    Hier waren die nach Osten und die nach Westen führenden Bahnen der Interstate von einem knapp zwanzig Meter breite n M ittelstreifen ohne Leitplanke getrennt. Lediglich eine Vertiefung in der Mitte sollte verhindern, dass außer Kontrolle geratene Fahrzeuge mit dem Verkehr der Gegenfahrbahn kollidierten. Sobald der Wagen schaukelnd zum Stillstand gekommen war und Jilly voll Todesangst ein weiteres Mal genügend Luft holte, um unter Wasser den Ärmelkanal durchschwimmen zu können, wechselte Dylan vom Brems- zum Gaspedal und fuhr diagonal in die Senke des Mittelstreifens hinab.
    » He, was soll das? «, sagte Jilly.
    Dylan war so in sein Tun versunken, wie Jilly es bislang noch nicht an ihm gesehen hatte. Die Konzentration, mit der er in die flache Senke hinabfuhr, war intensiver als die Aufmerksamkeit, die er Jillys brennendem De Ville oder dem selbstquälerischen Shep auf dem Rücksitz gewidmet hatte. Massig wie Meister Petz persönlich, füllte er den gesamten Fahrersitz. Selbst unter normalen Umständen – sofern man die Umstände, in denen Jilly ihn bisher erlebt hatte, normal nennen konn te – ragte er über dem Lenkrad auf, aber nun tat er das noch aggressiver als sonst. Mit vorgeschobenem Kopf und finsterer Bärenmiene heftete er den Blick auf den hellen Fleck, den die Scheinwerfer auf den dunklen Boden der Senke warfen, in die er den Wagen steuerte.
    Auf Jillys Frage gab er keine Antwort. Sein Mund stand wie vor Verblüffung weit offen. Er sah aus, als könnte er nicht recht glauben, dass er seinen Wagen gekonnt herumgerissen hatte und nun über den Mittelstreifen auf die nach Westen führende Fahrbahn zuraste.
    Na schön, er raste zwar noch nicht, aber der Wagen beschleunigte, sobald er den tiefsten Punkt der Senke erreicht hatte. Wenn sie den gegenüberliegenden Abhang im falschen Winkel und mit zu hohem Tempo erwischten, würde der Wagen ins Schlingern geraten. Das taten leichte Geländewagen gern, wenn sie schlecht gefahren wurden und wenn der Boden wie hier aus rutschigem Sand und losem Schiefer bestand.
    » Nein! « , schrie Jilly, aber Dylan schenkte ihr kein Gehör. Während der Wagen sich durch den zerbröckelnden Untergrund der Böschung wühlte, stemmte Jilly die Füße noch fester gegen das Armaturenbrett, nicht ohne sich zu fragen, wo der Airbag verstaut war. Was würde wohl geschehen, wenn er sich im Armaturenbrett befand und sich durch den Druck, den sie mit den Füßen darauf ausübte, aufblies? Würde er ihr die Knie ins Gesicht pressen oder unter den Schuhen platzen und mit Hochdruck heißes, die Haut versengendes Gas auf ihren ganzen Körper speien? Statt dass, wie sonst in solchen Fällen üblich, ihr ganzes Leben im Schnelldurchlauf an ihr vorüberzog (begleitet vom Soundtrack der Looney Tunes, der sich bei ihr am besten geeignet hätte), zuckten ihr diese grotesken Bilder und schlimmere durch den Kopf. Sie konnte sie nicht abblocken, weshalb sie sich weiter an Sitz und Handgriff festklammerte und noch einmal » Nein! « brüllte – wieder vergeblich.
    Die Hinterräder sprühten ein doppeltes Trommelfeuer aus Schiefer und Sand in die Luft, während Dylan den Wagen in einem schiefen Winkel die nördliche Böschung des Mittelstreifens hinauflenkte. Der Intensität nach zu urteilen, mit der die Schwerkraft Jilly in Richtung Fahrer zog, hätte ein Grad zusätzliche Neigung ausgereicht, um das Fahrzeug wieder in die Senke

Weitere Kostenlose Bücher