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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Also dachte ich, ich mache ein Büfett, und wir laden ein paar Freunde ein – die Murrays und Cliff und Dodie Hope. Alvin hatte keine Lust, aber davon ließ ich mich nicht beirren. Meine Güte!
    Der Fall konnte sich noch ewig hinziehen, und er hatte seit sechs Wochen praktisch keine freie Minute mehr gehabt. Ich deckte also den Tisch, und als ich das Telefon hörte, bat ich einen der Jungs, Paul, an den Apparat zu gehen. Paul sagte, es sei für Daddy, und ich rief: ›Sag, er liegt in der Badewanne‹, aber Paul meinte, er hielte das für keine gute Idee, denn es sei Mr. Sanford, und er riefe aus Topeka an. Alvins Chef. Alvin wickelte sich ein Badetuch um und ging ans Telefon. Ich wurde fast wahnsinnig – er tropfte alles voll. Aber als ich einen Wischmopp holen wollte, bot sich mir ein noch viel schrecklicheres Bild – Pete, dieser dämliche Kater, saß auf dem Küchentisch und fraß den Krabbensalat. Mit dem ich die Avocados füllen wollte.
    Plötzlich schlang Alvin die Arme um mich, und ich sagte: ›Alvin Dewey, hast du den Verstand verloren?‹ Spaß muss sein, aber der Mann war ja klatschnass, er ruinierte mein Kleid, und ich hatte mich schon umgezogen. Als ich begriff, warum er mich umarmte, fiel ich ihm förmlich um den Hals. Sie können sich sicher denken, wie viel es Alvin bedeutete, dass sie diese Männer endlich verhaftet hatten.
    In Las Vegas. Er sagte, er müsse sofort nach Las Vegas, und ich fragte ihn, ob er sich vorher nicht lieber etwas anziehen wolle, und Alvin, er war so aufgeregt, er sagte:
    ›Ach, Liebling, jetzt habe ich dir auch noch die Party verdorben!‹ Schöner hätte er sie mir kaum verderben können – denn das hieß ja, dass wir vielleicht schon bald wieder ein normales Leben führen konnten. Alvin lachte – es war einfach wunderbar, ihn lachen zu hören. Die letzten vierzehn Tage waren mit Abstand die schlimmsten gewesen. Eine Woche vor Weihnachten waren diese Männer in Kansas City aufgetaucht – und auch wieder verschwunden, ohne gefasst zu werden. So deprimiert hatte ich Alvin nicht mehr erlebt, seit der kleine Alvin mit Hirnhautentzündung im Krankenhaus lag und wir Angst um sein Leben haben mussten. Aber darüber möchte ich nicht sprechen.
    Jedenfalls kochte ich eine Tasse Kaffee und brachte sie ihm ins Schlafzimmer, wo er sich eigentlich hatte anziehen wollen. Aber als ich hereinkam, saß er auf dem Bett und hielt sich den Kopf, als hätte er Kopfschmerzen.
    Noch nicht einmal die Socken hatte er angezogen. Ich sagte: ›Willst du dir eine Lungenentzündung holen?‹ Und er sah mich an und sagte: ›Mensch, Marie, die beiden müssen es einfach gewesen sein, das ist die einzig logische Erklärung.‹ Alvin ist schon komisch manchmal. Zum Beispiel als er das erste Mal für das Amt des Sheriffs von Finney County kandidierte. Am Wahlabend, als praktisch alle Stimmen ausgezählt waren und klar war, dass er gewonnen hatte, da sagte er – ich hätte ihn erwürgen können – immer und immer wieder: ›Warten wir ab, bis das Ergebnis feststeht.‹
    Ich sagte: ›Ach, Alvin, fang doch nicht wieder damit an. Natürlich sind sie es gewesen.‹ Er sagte: ›Und wo ist der Beweis? Wir können ja noch nicht mal beweisen, dass sie überhaupt einen Fuß ins Haus der Clutters gesetzt haben!‹ Dabei hatte ich den Eindruck, dass man ihnen gerade das nachweisen konnte: Fußspuren – waren Fußspuren nicht das Einzige, was diese Tiere hinterlassen hatten? Alvin sagte: ›Ja, aber die nützen uns einen Dreck – sei denn, die Jungs tragen immer noch dieselben Stiefel.
    Fußspuren allein sind keinen Pfifferling wert.‹ Ich sagte:
    ›Gut, Liebling, du trinkst jetzt deinen Kaffee, und ich helfe dir beim Packen.‹ Manchmal ist Alvin mit Vernunft nicht beizukommen. Er hätte es fast geschafft, mir einzureden, dass Hickock und Smith unschuldig waren, und wenn sie nicht unschuldig waren, würden sie auf keinen Fall gestehen, und wenn sie nicht gestanden, konnten sie auch nicht verurteilt werden – die Beweislage war einfach zu dünn. Was ihm allerdings am meisten Sorgen machte – er hatte Angst, dass die Geschichte durchsickerte und die Männer die Wahrheit erfuhren, bevor das KBI sie vernehmen konnte. Bislang glaubten sie, bei ihrer Festnahme ginge es lediglich um einen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Um Scheckbetrug. Und Alvin hielt es für entscheidend, dass sie in diesem Glauben belassen wurden. Er sagte: ›Der Name Clutter muss sie treffen wie ein Hammerschlag, mit dem sie nicht

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