Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
kann nicht mehr. Er legte an, und sie drehte das Gesicht zur Wand«); der dunkle Flur, die Mörder, die auf die letzte Tür zustürmen.
    Nach allem, was sie gehört hatte, war Bonnie womöglich froh, dass sie jetzt endlich kamen.
    »Die letzte Hülse war verdammt schwer zu finden. Dick musste unters Bett kriechen, um sie zu kriegen. Dann machten wir Mrs. Clutters Zimmertür zu und gingen runter ins Büro. Da warteten wir ab, genau wie am Anfang, als wir reingekommen waren. Wir spähten durch die Jalousie, vielleicht schnüffelte der Knecht ja draußen rum oder jemand anders, der die Schüsse gehört hatte.
    Aber es war alles unverändert – kein Ton. Nur der Wind – und Dick, der keuchte, als wäre ein Rudel Wölfe hinter ihm her. Und in diesem Augenblick, in diesen paar Sekunden, bevor wir zum Wagen rannten und wegfuhren, beschloss ich, Dick zu erschießen. Er hatte es tausendmal gesagt, hatte es mir immer wieder eingetrichtert: Keine Zeugen. Und ich dachte: Er ist ein Zeuge. Ich weiß auch nicht, was mich davon abgehalten hat. Weiß Gott, ich hätte es tun sollen. Ihn erschießen. Mich in den Wagen setzen und los, immer der Nase nach, bis runter nach Mexiko.«
    Stille. Die drei Männer fahren zehn Meilen und mehr, ohne ein Wort zu sagen.
    Deweys Schweigen entspringt Trauer und tiefster Erschöpfung. Er hatte unbedingt wissen wollen, »was genau in dieser Nacht in diesem Haus passiert ist«. Jetzt hatte er es gleich zweimal zu hören bekommen, und die beiden Versionen der Geschichte stimmten weitestgehend überein, mit dem gravierenden Unterschied, dass Hickock alle vier Morde Smith zuschrieb, während Smith behauptete, die beiden Frauen habe Hickock umgebracht.
    Aber obwohl die Geständnisse die Frage nach dem Wie und Warum beantworteten, vermochten sie sein Bedürfnis nach einem sinnvollen Zusammenhang doch nicht zu stillen. Das Verbrechen war ein Unfall, die Folge einer Verkettung ungünstiger psychologischer Umstände, es hatte mit den betroffenen Personen an und für sich nichts zu tun; die Opfer hätten ebenso gut vom Blitz erschlagen werden können. Mit einer Ausnahme: Sie hatten gelitten, sie waren unendlichen Qualen ausgesetzt gewesen. Und diese Qualen konnte Dewey nicht vergessen. Dennoch war er durchaus imstande, den Mann neben sich ohne Zorn –vielmehr mit einem gewissen Maß an Mitgefühl – zu betrachten, denn Perry Smiths Leben war kein Zuckerschlecken gewesen, sondern eine erbärmliche, trostlose und einsame Reise von einer Fata Morgana zur nächsten. Deweys Mitgefühl reichte allerdings nicht weit genug, als dass es Vergebung oder gar Gnade zugelassen hätte. Er wollte Perry und seinen Komplizen hängen sehen – einen wie den anderen.
    Duntz fragt Smith: »Alles in allem: Wie viel Geld haben Sie bei den Clutters erbeutet?«
    »Zwischen vierzig und fünfzig Dollar.«
     
    Unter den Tieren Garden Citys sind auch zwei graue Kater, die man stets zusammen antrifft – dürre, schmutzstarrende Streuner mit ebenso seltsamen wie raffinierten Gewohnheiten. Das wichtigste ihrer täglichen Rituale vollziehen sie bei Einbruch der Dämmerung. Zunächst trotten sie die Main Street entlang und inspizieren die Kühlergrills der am Straßenrand, insbesondere vor den beiden Hotels, dem Windsor und dem Warren, geparkten Wagen, denn diese zumeist von weit her gekommenen Gefährte haben in der Regel genau das zu bieten, worauf es die beiden knochigen, gewissenhaften Kreaturen abgesehen haben: tote Vögel – Krähen, Meisen und Sperlinge, die töricht genug waren, den herannahenden Autos in den Weg zu fliegen. Mit ihren Krallen klauben sie wie mit chirurgischen Instrumenten noch die kleinste Feder aus den Kühlergrills. Nachdem sie die Main Street erkundet haben, biegen sie an der Kreuzung Main und Grant stets um die Ecke und laufen weiter zum Courthouse Square, der ebenfalls zu ihren Jagdgründen gehört – und sich am Nachmittag des 6. Januar, eines Mittwochs, als besonders vielversprechend erwies, denn hier wimmelte es nur so von Fahrzeugen aus Finney County, mit denen ein Großteil der Menschenmenge, die den Platz bevölkerte, in die Stadt gekommen war.
    Die ersten Schaulustigen hatten sich gegen sechzehn Uhr hier eingefunden, da Hickock und Smith laut Bezirksstaatsanwalt etwa um diese Zeit erwartet wurden.
    Nachdem am Sonntagabend publik geworden war, dass Hickock gestanden hatte, waren Journalisten jeglicher Couleur nach Garden City aufgebrochen: Vertreter der Hauptnachrichtenagenturen, Fotografen,

Weitere Kostenlose Bücher