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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Zeitpunkt war. Also sagt er: ›Okay, Schätzchen.
    Wenn du meinst.‹ Wir haben ihr den Mund dann doch nicht zugeklebt. Wir haben das Flurlicht ausgemacht und sind runter in den Keller …«
    Perry zögert. Er hat eine Frage, formuliert sie jedoch als Aussage: »Ich wette, er hat kein Wort darüber verloren, dass er das Mädchen vergewaltigen wollte.«
    Dewey bejaht, setzt allerdings hinzu, dass sich Hickocks Version der Geschichte, abgesehen von einer offenbar leicht bereinigten Darstellung seines eigenen Verhaltens, mit der von Smith weitgehend decke. Die Details variierten, die Dialoge seien nicht identisch, aber im Wesentlichen – und bis hierher – ergänze eine Aussage die andere.
    »Mag sein. Aber ich wusste, dass er das mit dem Mädchen nicht erzählt hat. Ich hätte mein letztes Hemd darauf verwettet.«
    Duntz sagt: »Perry, was das Licht angeht. Wenn ich das richtig sehe, war es im ganzen Haus stockdunkel, als Sie im ersten Stock das Licht ausgemacht haben.«
    »Ja. Und wir haben auch kein Licht mehr gemacht.
    Außer mit der Taschenlampe. Als wir zu Mr. Clutter und dem Jungen runtergingen, hatte Dick die Taschenlampe.
    Kurz bevor ich ihm den Mund zuklebte, fragte mich Mr. Clutter – und das waren seine letzten Worte –, er wollte wissen, wie es seiner Frau geht, ob mit ihr alles in Ordnung ist, und ich sagte, ihr fehlt nichts, sie schläft gleich, außerdem wäre es nicht mehr lange bis zum Morgen, und am Morgen würde sie schon jemand finden, und dann würde ihnen alles, Dick und ich und alles andere, vorkommen wie ein böser Traum. Das war mein voller Ernst. Ich wollte dem Mann nichts tun. Ich fand ihn eigentlich sehr nett. Höflich. Bis ich ihm die Kehle durchschnitt.
    Moment. Jetzt bin ich mit der Reihenfolge durcheinandergekommen.« Perry macht ein mürrisches Gesicht.
    Er massiert sich die Beine; die Handschellen klirren.
    »Dann, also nachdem wir ihnen den Mund verklebt hatten, zogen Dick und ich uns in eine Ecke zurück. Um Kriegsrat zu halten. Sie dürfen nicht vergessen, zwischen uns war dicke Luft. Mir drehte sich der Magen um bei dem Gedanken, dass ich ihn bewundert, seine großen Sprüche anstandslos geschluckt hatte. Ich sagte: ›Und, Dick? Irgendwelche Bedenken?‹ Er gab keine Antwort.
    Ich sagte: ›Wenn wir sie am Leben lassen, dann schließen die uns weg. Mindestens zehn Jahre.‹ Er sagte noch immer nichts. Er hatte das Messer in der Hand. Ich ließ es mir geben und sagte: ›Also gut, Dick. Los geht’s.‹ Ich wollte es eigentlich gar nicht. Eigentlich wollte ich ihn bloß dazu bringen, Farbe zu bekennen, es mir auszureden, endlich zuzugeben, dass er ein Angeber und Feigling war. Letztlich war das Ganze eine Sache zwischen Dick und mir. Ich kniete mich neben Mr. Clutter, und als mir der Schmerz in die Beine fuhr – da dachte ich an diesen beschissenen Dollar. Den Silberdollar. Die Scham.
    Den Ekel. Und dass die mir verboten hatten, je wieder einen Fuß nach Kansas zu setzen. Aber was ich getan hatte, merkte ich erst, als ich das Geräusch hörte. Wie ein Ertrinkender. Der unter Wasser schreit. Ich gab Dick das Messer. Ich sagte: ›Mach ihn alle. Dann geht’s dir besser.‹
    Dick versuchte es – oder tat zumindest so. Aber der Mann hatte Kraft für zehn – er hatte sich schon halb losgemacht, hatte die Hände frei. Da drehte Dick durch.
    Er wollte abhauen. Aber ich ließ ihn nicht. Der Mann wäre so oder so verreckt, ich weiß, aber ich konnte ihn ja schlecht da liegen lassen. Ich sagte Dick, er soll mit der Taschenlampe draufhalten. Dann legte ich die Knarre an.
    Der ganze Keller explodierte. Wurde erst blau. Dann blendend hell. Mensch, dass der Krach nicht zwanzig Meilen weit zu hören war, das wundert mich noch heute.«
    Dewey klingen die Ohren – ein Klingeln, das ihn fast taub macht für das gehetzte Flüstern von Smiths sanfter, leiser Stimme. Aber die Stimme hastet weiter, ein wahres Trommelfeuer von Lauten und Bildern: Hickock auf der Suche nach der ausgeworfenen Patrone; schneller, schneller, und Kenyons Kopf im Schein der Lampe, dumpfes Murmeln, Bitten, Flehen, dann wieder Hickock, der hektisch nach der leeren Hülse tastet; Nancys Zimmer, Nancy, die den Stiefeltritten auf der Treppe lauscht, dem hölzernen Knarren der Stufen, als sich die Schritte langsam nähern, Nancys Augen, Nancy, die sieht, wie der Lichtkegel sein Ziel erfasst
    (»Sie sagte: ›O nein! O bitte! Nein! Nein! Nein! Nein! Nicht! O bitte nicht! Bitte!‹
    Ich gab Dick das Gewehr. Ich sagte, ich

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