Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
frech.
    Harrison Smith, die jüngere Hälfte des Verteidiger-Duos, setzte die Befragung fort. Mit spöttischer, aggressiver Stimme, die bei dem eigentlich eher milden, nachsichtigen Mann etwas gekünstelt wirkte, fragte Smith den Zeugen, ob er einen Spitznamen habe.
    »Nein. Alle nennen mich nur ›Floyd‹.«
    Der Anwalt schnaubte. »Wirklich? Nennt man Sie nicht eher ›Judas‹? Oder ›Verräter‹?«
    »Nein, alle nennen mich nur Floyd«, wiederholte Wells leicht betreten.
    »Wie oft waren Sie schon im Gefängnis?«
    »Dreimal.«
    »Unter anderem, weil Sie gelogen haben, nicht wahr?«
    Der Zeuge verneinte und sagte, das erste Mal sei er wegen Fahrens ohne Führerschein verurteilt worden, das zweite Mal wegen Einbruchdiebstahls, und seine dritte Haftstrafe, neunzig Tage Arrest in einem Militärgefängnis, gehe auf eine Geschichte aus seiner Zeit bei der Army zurück: »Wir waren zur Zugbewachung eingeteilt. Dabei haben wir ein bisschen was getrunken und auf Fenster und Lampen geballert.«
    Alle lachten; alle bis auf die Angeklagten (Hickock spuckte auf den Boden) und Harrison Smith, der Wells jetzt fragte, warum er sich, obwohl er von der Holcomber Tragödie wusste, erst Wochen später an die Behörden gewandt habe. »Dachten Sie vielleicht«, sagte er, »es springt etwas für Sie dabei heraus? Zum Beispiel eine Belohnung?«
    »Nein.«»Sie wussten also nichts von einer Belohnung?« Der Anwalt sprach von den tausend Dollar Belohnung, die die Hutchinson News für jeden Hinweis ausgesetzt hatten, der zur Ergreifung und Verurteilung der Clutter-Mörder führte.
    »Ich hatte davon in der Zeitung gelesen.«
    »Und zwar bevor Sie sich an die Behörden wandten, nicht?« Als der Zeuge dies bejahte, fuhr Smith triumphierend fort: »Hat Ihnen die Staatsanwaltschaft dafür, dass Sie hier und heute aussagen, Straferleichterung oder gar -freiheit zugesichert?«
    Logan Green protestierte: »Einspruch, Euer Ehren. Wir verwehren uns gegen die Formulierung dieser Frage. Niemandem ist in irgendeiner Form Straffreiheit zugesichert worden.« Dem Einspruch wurde stattgegeben und der Zeuge entlassen; als er den Zeugenstand verließ, verkündete Hickock allen, die es hören konnten: »Arschloch.
    Wenn hier einer den Galgen verdient hat, dann er. Seht ihn euch an. Der marschiert hier raus, kassiert die dicke Kohle und kommt obendrein ungeschoren davon.«
    Diese Vorhersage sollte sich als richtig erweisen, denn kurz darauf bekam Wells nicht nur die Belohnung, sondern auch Bewährung zugesprochen. Aber sein Glück währte nicht lange. Er geriet schon bald wieder in Schwierigkeiten und hat im Lauf der Jahre zahlreiche Wechselfälle durchlebt. Derzeit sitzt er im Mississippi State Prison in Parchman, Mississippi, wo er eine dreißigjährige Haftstrafe wegen bewaffneten Raubüberfalls verbüßt.
     
    Als sich das Gericht am Freitag auf die kommende Woche vertagte, waren sämtliche Zeugen der Anklage gehört, darunter auch vier Special Agents des Federal Bureau of Investigation in Washington, D.C. Diese Männer, hochkarätige Experten aus verschiedenen Bereichen der Kriminaltechnik, hatten die materiellen Beweise untersucht, die Smith und Hickock mit den Morden in Verbindung brachten (Blutproben, Fußabdrücke, Geschosshülsen, Seil und Klebeband), und ihre Stichhaltigkeit in allen Fällen zweifelsfrei bestätigt. Schließlich schilderten die vier KBI-Agenten die Befragung der Gefangenen sowie die Umstände, unter denen sie gestanden hatten. In ihrer Not verstieg sich die Verteidigung beim Kreuzverhör der KBI-Beamten zu der Unterstellung, die Schuldeingeständnisse seien durch unlautere Mittel gewonnen worden – brutale Verhöre in überheizten, grell erleuchteten, viel zu kleinen Räumen. Diese – unwahre – Behauptung provozierte die Detectives zu höchst überzeugenden Dementis. (Später, auf die Frage eines Reporters, weshalb er diese falsche Fährte so beharrlich verfolgt habe, fauchte Hickocks Anwalt: »Was soll ich denn tun? Ich habe rein gar nichts in der Hand. Aber ich kann doch nicht bloß hier herumsitzen wie ein Ölgötze. Ab und zu muss ich auch mal den Mund aufmachen.«)
    Als Hauptbelastungszeuge der Anklage erwies sich Alvin Dewey; seine Aussage, bei der die in Perry Smiths Geständnis detailliert geschilderten Ereignisse erstmals öffentlich zur Sprache kamen, sorgte landesweit für Schlagzeilen (SCHRECKLICHE ENTHÜLLUNGEN IM HORROR-MORD – Die grausame Wahrheit) und schockierte die Zuhörer – allen voran Richard

Weitere Kostenlose Bücher