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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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sich, wie auch einige andere Priester, gegen die Todesstrafe ausgesprochen und damit den Boden bereitet hatte, hoffte ich, dass die Leute der Todesstrafe hier vielleicht ablehnender gegenüberstehen würden als in anderen Teilen des Staates. Außerdem hatte ein Bruder von Mrs. Clutter in der Presse die Ansicht vertreten, die Angeklagten sollten nicht hingerichtet werden.«
    Shultz brachte Dutzende von Anschuldigungen vor, doch sie alle fußten auf der Unterstellung, dass Fleming und Smith ihre Pflichten infolge öffentlichen Drucks bewusst vernachlässigt hätten. Beide, so behauptete Shultz, hätten ihren Mandanten geschadet, weil sie sich mit ihnen nicht ausführlich genug beraten hätten (Mr. Fleming entgegnete: »Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan und auf diesen Fall mehr Zeit verwendet als auf die meisten anderen Fälle«); weil sie auf eine Voruntersuchung verzichtet hätten (Smith antwortete:
    »Aber Sir, damals waren Mr. Fleming und ich doch noch gar nicht zu Verteidigern bestellt«); weil sie sich vor der Presse nachteilig über die Angeklagten geäußert hätten (Shultz zu Smith: »Ist Ihnen bewusst, dass Ron Kuli, ein Reporter vom Topeka Daily Capital, Sie am zweiten Verhandlungstag mit den Worten zitierte, an Mr. Hickocks Schuld gebe es keinen Zweifel, weshalb es jetzt nur noch darauf ankäme, eine lebenslange Haftstrafe statt eines Todesurteils zu erwirken?« Smith zu Shultz: »Nein, Sir. Wenn dem so ist, dann bin ich falsch zitiert worden«); und weil sie es versäumt hätten, sich eine Verteidigungsstrategie zurechtzulegen.
    Shultz ritt immer wieder auf diesem Punkt herum; daher soll im Folgenden aus der Begründung zitiert werden, mit der drei Bundesrichter des United States Court of Appeal den Wiederaufnahmeantrag ablehnten:
    »Uns scheint, die Antragsteller haben bei rückblickender Betrachtung des Falles die Probleme aus den Augen verloren, mit denen sich die Anwälte Smith und Fleming konfrontiert sahen, als sie zu Pflichtverteidigern bestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Antragsteller bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt, und sie haben weder damals noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt behauptet, dass dieses Geständnis unter Zwang gewonnen worden sei. Ein aus dem Haus der Clutters entwendetes und von den Antragstellern in Mexico City veräußertes Radiogerät war sichergestellt worden, und die Anwälte hatten Kenntnis von weiterem, im Besitz der Staatsanwaltschaft befindlichem Beweismaterial. Als sie aufgefordert wurden, zu den vorliegenden Anschuldigungen Stellung zu nehmen, schwiegen sie, was es der Verteidigung unmöglich machte, auf nicht schuldig zu plädieren. Weder damals noch heute lagen bzw. liegen stichhaltige Beweise vor, die eine Verteidigung auf der Grundlage von verminderter Schuldfähigkeit gerechtfertigt hätten. Der Versuch der Verteidigung, auf Grund von Jahre zurückliegenden schweren Unfallverletzungen sowie Kopfschmerzen und gelegentlichen Ohnmachtsanfällen bei Hickock auf verminderte Schuldfähigkeit zu plädieren, gleicht dem Griff nach dem sprichwörtlichen Strohhalm. Die Anwälte sahen sich mit dem Sachverhalt konfrontiert, dass die Antragsteller grausame Verbrechen gegen Unschuldige gestanden hatten. Unter diesen Umständen hätten sie den Antragstellern mit gutem Recht den Rat erteilen können, auf schuldig zu plädieren und sich der Gnade des Gerichts zu überantworten. So konnten sie einzig darauf hoffen, dass sich das Leben dieser fehlgeleiteten Individuen durch eine günstige Wendung des Schicksals retten ließe.« In dem Bericht, den er dem Kansas Supreme Court vorlegte, kam Richter Thiele zu dem Schluss, dass den Antragstellern ein faires und rechtmäßiges Verfahren zuteil geworden sei; daraufhin lehnte das Gericht den Berufungsantrag ab und setzte einen neuen Hinrichtungstermin fest – den 25.Oktober 1962. Lowell Lee Andrews, dessen Fall bereits zweimal bis vor den United States Supreme Court gelangt war, sollte einen Monat später hängen.
    Die Clutter-Mörder hatten das Glück, dass ein Bundesrichter ihnen einen weiteren Strafaufschub gewährte.
    Andrews nicht.
     
    Zwischen Verhängung und Vollstreckung eines Todesurteils vergehen in den Vereinigten Staaten durchschnittlich siebzehn Monate. Kürzlich kam in Texas ein Mann nur einen Monat nach seiner Verurteilung wegen bewaffneten Raubüberfalls auf den elektrischen Stuhl; in Louisiana hingegen warten zum Zeitpunkt der Niederschrift zwei Vergewaltiger schon seit

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