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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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überhäuft, hauptsächlich Obst und Gemüse, das sie selbst noch nicht hatten ernten können – körbeweise Kopfsalat und Spargel. Und Nancy kam oft mit Babe herüber, damit die Kinder auf ihr reiten können. »Wissen Sie, was? So schön wie hier hatten wir es eigentlich noch nie. Hideo sagt das auch. Es wird uns furchtbar schwerfallen, hier wegzugehen. Und noch einmal ganz von vorn anzufangen.«
    »Weggehen?«, protestierte Mr. Clutter und ging vom Gas.
    »Tja, Herb. Die Farm hier, die Leute, für die wir arbeiten – Hideo glaubt, dass wir es besser haben könnten.
    Zum Beispiel in Nebraska. Es ist aber noch nichts entschieden. Wir haben bis jetzt nur darüber gesprochen.«
    Ihre herzliche Stimme, die jeden Augenblick in ein Lachen umzuschlagen drohte, gab dieser betrüblichen Mitteilung eine fast fröhliche Note, aber da sie Mr. Clutter die Laune nicht noch weiter verderben wollte, wechselte sie rasch das Thema. »Herb, ich brauche Ihren Rat als Mann«, sagte sie. »Die Kinder und ich haben gespart, um Hideo zu Weihnachten ein größeres Geschenk zu machen. Er braucht dringend neue Zähne. Wenn Ihre Frau Ihnen drei Goldzähne schenken würde, fänden Sie das sehr unpassend? Ich meine, den eigenen Mann zu bitten, Weihnachten beim Zahnarzt zu verbringen?«
    »Sie sind vielleicht ’ne Marke. Wehe, Sie machen sich aus dem Staub. Wir binden Sie hier fest«, sagte Mr. Clutter. »Goldzähne? Aber ja doch, warum nicht? Ich an seiner Stelle wäre entzückt.«
    Mrs. Ashida freute sich über seine Reaktion, denn sie wusste, dass er ihr niemals zugeraten hätte, wenn es ihm nicht wirklich ernst gewesen wäre; er war ein Gentleman.
    Sie konnte sich nicht entsinnen, dass er jemals »nach Gutsherrenart« gehandelt, jemanden übervorteilt oder ein Versprechen nicht gehalten hätte. Jetzt wollte sie ihm ein Versprechen abnehmen. »Ich möchte Sie um etwas bitten, Herb. Bei der Feier – keine Reden, ja? Das ist nichts für mich. Sie … Sie sind da anders. Ihnen macht es nichts aus, sich hinzustellen und vor Hunderten, ach, was sag ich: vor Tausenden von Leuten zu sprechen. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt – Sie können jeden überzeugen.
    Sie haben vor nichts Manschetten«, spielte sie auf eine allgemein bekannte Eigenschaft Mr. Clutters an: ein furchtloses Selbstvertrauen, das ihn von anderen unterschied und ihm einerseits Achtung und Respekt eintrug, die Zuneigung seiner Mitmenschen andererseits jedoch ein wenig dämpfte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie vor irgendetwas Angst haben. Sie könnten in den größten Schwierigkeiten stecken, Sie würden sich immer irgendwie herausreden.«
    Am frühen Nachmittag war der schwarze Chevrolet in Emporia, Kansas angekommen – eine größere Ortschaft, fast schon eine Stadt, wo man, wie die Insassen des Wagens beschlossen hatten, gefahrlos ein paar Besorgungen machen konnte. Sie parkten in einer Nebenstraße und schlenderten ohne Ziel umher, bis sie vor einem einigermaßen gut besuchten Gemischtwarenladen standen.
    Als Erstes kauften sie ein Paar Gummihandschuhe für Perry, der im Unterschied zu Dick vergessen hatte, alte Handschuhe von zu Hause mitzubringen.
     
    Sie gingen weiter zu einer Vitrine, in der Damenstrümpfe auslagen. Nach einigem Hin und Her sagte Perry: »Ich bin dafür.«
    Dick war dagegen. »Und was ist mit meinem Auge? Die sind alle so hell, dass man es trotzdem sieht.«
    »Miss«, wandte Perry sich an eine Verkäuferin. »Haben Sie auch schwarze Strümpfe?« Als sie verneinte, schlug er vor, es in einem anderen Laden zu probieren. »Schwarz ist hundertprozentig sicher.«
    Aber Dick hatte sich längst entschieden: Strümpfe, gleich welcher Farbe, seien unnötig, überflüssig, sinnlose Verschwendung (»Ich habe schon genug Geld in dieses Unternehmen investiert«), außerdem würden die Beteiligten ohnehin keine Gelegenheit mehr haben, sie zu identifizieren. » Keine Zeugen«, schärfte er Perry ein, zum tausendsten Mal, wie diesem schien. Es wurmte ihn, wie Dick die beiden Wörter aussprach, als sei das Problem damit vom Tisch; es war schlichtweg idiotisch, die Möglichkeit, dass es einen Zeugen geben könnte, den sie übersehen hatten, außer Acht zu lassen. »Es kann schließlich immer was dazwischenkommen«, sagte er.
    Dick sah das anders; er verzog die Lippen zu einem großspurigen, jungenhaften Grinsen und sagte: »Nun bleib mal schön auf dem Teppich. Es kann überhaupt nichts schiefgehen.« Nein. Denn der Plan stammte von Dick und war, vom

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