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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Abendessen. »War mir ein Vergnügen, Herb.«
    »Gleichfalls.«
    Sie gaben sich die Hand. Dann, mit einem verdienten Gefühl des Triumphes, nahm Johnson Mr. Clutters Scheck entgegen und verstaute ihn in seiner Brieftasche. Es war die erste Rate einer Police in Höhe von vierzigtausend Dollar, die im Falle eines Unfalltodes die doppelte Abfindung garantierte.
     
    Und Er begleitet und geleitet mich,
    Weil ich Sein eigen bin,
    Solch Freude und solch ewig Heil
    Ward keinem Menschen je zuteil …
     
    Mit Hilfe seiner Gitarre hatte Perry sich in gute Laune gesungen. Er hatte an die zweihundert Kirchenlieder und Balladen auswendig im Kopf – ein Repertoire, das von The Old Rugged Cross bis zu Cole Porter reichte – und spielte außer Gitarre auch noch Mundharmonika, Akkordeon, Xylophon und Banjo. In einer seiner Lieblingsfantasien trat er unter dem Künstlernamen Perry O’Parsons als »Das Ein-Mann-Orchester« auf.
    »Wie wär’s mit ‘nem Cocktail?«, fragte Dick.
    Im Grunde war es Perry egal, was er trank, denn er war kein großer Trinker. Dick hingegen war in dieser Hinsicht wählerisch und bestellte sich in Bars normalerweise einen Orange Blossom. Perry holte eine Halbliterflasche mit einer Mischung aus Wodka und Orangenlimonade aus dem Handschuhfach. Sie ließen die Flasche hin und her gehen. Obwohl die Dämmerung hereingebrochen war, fuhr Dick, mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit von sechzig Meilen in der Stunde, noch immer ohne Licht; andererseits war die Straße gerade, das Land platt wie ein See, und Gegenverkehr gab es kaum. Hier draußen waren sie buchstäblich »hinterm Mond« – es fehlte jedenfalls nicht viel.
     
    »Gott!«, sagte Perry und schaute mit finsterem Blick in die Landschaft, flach und endlos unter dem kalten, hartnäckigen Grün des Himmels – leer und einsam, bis auf die flackernden Lichter weniger, verstreut liegender Farmen.
    Er hasste sie, ebenso wie er die texanische Prärie und die Wüste von Nevada hasste; weite, spärlich besiedelte Gegenden wie diese verursachten ihm Depressionen, begleitet von platzangstähnlichen Gefühlen. Seehäfen hingegen waren ganz nach seinem Herzen – laute, lärmende, nach Abwässern stinkende Städte voller Menschen, voller Schiffe, wie zum Beispiel Yokohama, wo er als Gefreiter der US-Armee während des Koreakrieges einen Sommer verbracht hatte. »Gott – und da wollten sie mir verbieten, meinen wohlgeformten Fuß noch mal über die Staatsgrenze zu setzen! Als wäre Kansas das Paradies auf Erden. Und nun sieh dir das an. Die reinste Augenweide.«
    Dick reichte ihm die halb geleerte Flasche. »Den Rest heben wir uns auf«, sagt er. »Vielleicht brauchen wir ihn noch.«
    »Hör mal, Dick. Wollten wir uns nicht ein Boot besorgen? Ich hab darüber nachgedacht – was hältst du davon, wenn wir uns in Mexiko eins kaufen? Irgendeinen kleinen Kahn, billig, aber robust. Damit könnten wir nach Japan schippern. Quer über den Pazifik. Wir wären nicht die Ersten – das haben schon Tausende geschafft. Ich will dich nicht bequatschen – aber Japan würde dir bestimmt gefallen. Wunderbare, freundliche Menschen, mit Umgangsformen wie exotische Blumen. Sehr zuvorkommend – nicht nur hinter deiner Kohle her. Und die Frauen erst. Du hast ja keine Ahnung …«
    »O doch«, sagte Dick, der vorgab, noch immer in seine honigblonde erste Frau verliebt zu sein, obwohl sie längst wieder geheiratet hatte.
    »Von den Badehäusern ganz zu schweigen. Ich sage nur ›Dream Pool.‹ Du machst dich lang, und dann kommt ein umwerfend schönes Mädchen und schrubbt dich ab, von Kopf bis Fuß.«
    »Das hast du mir schon mal erzählt«, sagte Dick mit schroffer Stimme.
    »Na und? Man wird sich doch wohl noch wiederholen dürfen?«
    »Später. Lass uns später drüber reden. Mensch, ich hab wirklich Wichtigeres im Kopf.«
    Dick schaltete das Radio ein; Perry schaltete es wieder aus. Er kümmerte sich nicht um Dicks Proteste und klimperte auf seiner Gitarre:
     
    Allein betrat ich den Garten,
    auf den Rosen lag noch der Tau,
    Als eine Stimme erschallte von fern,
    Die liebliche Stimme des Herrn …
     
    Der Vollmond stand hoch am Himmel.
    Bevor er sich am Montag darauf einem Lügendetektor-Test unterzog, gab der junge Bobby Rupp über seinen letzten Besuch bei den Clutters Folgendes zu Protokoll:
    »Es war Vollmond, und ich dachte, wenn Nancy Lust hat, könnten wir vielleicht eine kleine Spritztour machen – zum Beispiel raus zum McKinney Lake. Oder ins Kino nach Garden

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