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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Gedanke: Bonnie.
    Lächerlich, na klar, aber wir wussten ja nicht, was geschehen war, und viele dachten: möglich wär’s – bei ihren Anfällen. Heute sind wir noch immer nicht viel schlauer.
    Der Mörder muss die Clutters gehasst haben. Und kannte das Haus anscheinend wie seine Westentasche. Aber wer hatte was gegen die Clutters? Ich hab nie auch nur ein böses Wort über sie gehört; sie waren die beliebteste Familie weit und breit, und wenn denen so was schon passiert, wer ist dann hier überhaupt noch sicher?, frage ich dich. Ein alter Mann, der an dem Sonntagvormittag hier saß, nannte das Kind beim Namen, den Grund, warum hier keiner mehr ruhig schlafen kann; er sagte:
    ›Wir haben hier doch nur unsere Freunde. Weiter nichts.‹
    Und das ist eigentlich das Schlimmste an der ganzen Sache. Wie furchtbar, wenn Nachbarn sich nicht mehr offen und ehrlich in die Augen sehen können! Ja, es ist nicht leicht, damit zu leben, aber wenn sie je dahinterkommen, wer es war, wird das mit Sicherheit eine noch größere Überraschung als die Morde selbst.«
    Mrs. Bob Johnson, die Frau des Versicherungsvertreters von der New York Life, ist eine exzellente Köchin, doch das Mittagessen, das sie an diesem Sonntag auf den Tisch brachte, blieb ungegessen – wenigstens solange es noch warm war –, denn gerade als ihr Mann den gebratenen Fasan anschneiden wollte, erhielt er den Anruf eines Freundes. »Und das war«, wie er sich wehmütig erinnerte, »das erste Mal, dass ich von der Geschichte in Holcomb hörte. Ich wollte es nicht glauben. Das konnte ich mir schlicht nicht leisten. Gott, ich hatte Clutters Scheck noch in der Tasche. Ein Stück Papier im Wert von achtzigtausend Dollar. Wenn es stimmte, was ich gehört hatte.
    Aber ich dachte: Das kann nicht sein, da muss es sich um einen Irrtum handeln, so was gibt es doch gar nicht, dass man einem Mann eine teure Police verkauft, und ein paar Stunden später ist er tot. Ermordet. Mit anderen Worten: doppelte Abfindung. Ich wusste nicht, was tun. Ich rief den Leiter unserer Zweigstelle in Wichita an. Ich erklärte ihm, ich hätte zwar den Scheck, sei aber noch nicht dazu gekommen, ihn bei der Zentrale einzureichen, und fragte ihn um Rat. Tja, das war eine heikle Situation. Zwar waren wir rechtlich nicht zur Auszahlung verpflichtet. Aber moralisch – das stand auf einem anderen Blatt. Natürlich haben wir uns für das moralisch Richtige entschieden.«
    Die beiden Personen, die von dieser ehrenwerten Haltung profitierten – Eveanna Jarchow und ihre Schwester Beverly, die Alleinerben des väterlichen Vermögens –, waren, nur wenige Stunden nach der grausigen Entdeckung, nach Garden City aufgebrochen, Beverly in Winfield, Kansas, wo sie ihren Verlobten besucht hatte, und Eveanna in ihrem Heimatort Mount Carroll, Illinois. Im Lauf des Tages wurden weitere Angehörige verständigt, darunter Mr. Clutters Vater, seine beiden Brüder Arthur und Clarence und seine Schwester Mrs. Harry Nelson, allesamt aus Larned, Kansas, sowie eine zweite Schwester, Mrs. Elaine Selsor aus Palatka, Florida. Außerdem die Eltern von Bonnie Clutter, Mr. und Mrs. Arthur B. Fox, wohnhaft in Pasadena, Kalifornien, und ihre drei Brüder-Harold aus Visalia, Kalifornien, Howard aus Oregon, Illinois, und Glenn aus Kansas City, Kansas. So wurden die meisten, die auf der Thanksgiving-Gästeliste der Clutters standen, entweder telefonisch oder telegrafisch benachrichtigt und machten sich unverzüglich auf den Weg zu einem Familientreffen, das nun nicht an einer reich gedeckten Tafel, sondern auf dem Friedhof stattfand.
    Im Lehrerhaus hatte Wilma Kidwell alle Mühe, sich selbst, vor allem aber ihre Tochter zu beruhigen, denn Susan, untröstlich, mit verschwollenen Augen und von Brechreizanfällen geschüttelt, wollte unbedingt die drei Meilen zur Rupp-Farm gehen oder, besser, laufen.
    » Verstehst du das denn nicht?«, redete sie unablässig auf ihre Mutter ein. »Wenn Bobby nun durch Zufall davon hört? Er hat sie geliebt. Genau wie ich. Er muss es von mir erfahren.«
    Doch Bobby wusste längst Bescheid. Auf dem Heimweg war Mr. Ewalt bei den Rupps vorbeigefahren und hatte sich mit seinem Freund Johnny Rupp beraten, einem Vater von acht Kindern – Bobby ist das dritte. Gemeinsam gingen die beiden Männer in die »Baracke« abseits des eigentlichen Farmhauses, das zu klein ist, um alle Rupp-Kinder zu beherbergen. Die Jungen wohnen in der Baracke, die Mädchen »zu Hause«. Bobby machte gerade sein Bett. Er hörte

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