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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Flachs, Dick«, sagte Perry. »Das ist eine bombensichere Sache. Ich habe eine Karte. Ich kenne die ganze Geschichte. Der Schatz wurde 1821 dort vergraben – peruanische Goldbarren und Juwelen.
    Angeblich sechzig Millionen Dollar wert. Und selbst wenn wir nicht alles finden, sondern nur einen Teil … Hörst du mir überhaupt zu? Dick?« Bislang hatte Dick ihn stets ermuntert und seinen Vorträgen über Karten und Geschichten von versunkenen Schätzen aufmerksam gelauscht, aber jetzt – und solche Zweifel waren ihm noch nie zuvor gekommen – fragte er sich, ob Dick vielleicht nicht nur so getan, ihm etwas vorgegaukelt hatte.
    Dieser – äußerst schmerzhafte – Gedanke verflog jedoch im Nu, als Dick, mit einem freundschaftlichen Rippenstoß und einem Augenzwinkern sagte: »Klar, Schätzchen. Ich bin dir hörig. Voll und ganz.«
     
    Es war drei Uhr morgens, und wieder ging das Telefon.
    Doch die Uhrzeit spielte keine Rolle. Al Dewey war ohnehin hellwach, ebenso wie Marie und ihre beiden Söhne, der neunjährige Paul und der zwölfjährige Alvin Adams Dewey jr. Denn wer konnte in einem Haus – einem bescheidenen einstöckigen Haus –, wo nachts alle paar Minuten das Telefon klingelte, schon schlafen? Als er aus dem Bett stieg, versprach Dewey seiner Frau:
    »Diesmal lege ich den Hörer daneben.« Dabei konnte er es kaum riskieren, dieses Versprechen auch zu halten.
    Gewiss, viele der Anrufe kamen von sensationshungrigen Journalisten, Möchtegernwitzbolden, Hobbydetektiven (»Al? Passen Sie auf, mein Freund. Für mich liegt der Fall sonnenklar. Es war Selbstmord und Mord. Ich weiß nämlich zufällig, dass es Herb finanziell nicht gut ging. Er war ziemlich klamm. Also, was tut er? Er schließt eine fette Versicherung ab, erschießt Bonnie und die Kinder und bringt sich mit einer Bombe um. Mit einer Handgranate voller Schrot«), von anonymen Brunnenvergiftern und Denunzianten (»Kennen Sie die Ls? Zugereiste? Arbeitslos? Geben Partys? Servieren Cock tails? Wo haben die das ganze Geld her? Würde mich nicht wundern, wenn die hinter der Clutter-Sache stecken«) oder schreckhaften alten Damen, die über den Klatsch und Tratsch der Leute, die jeglicher Grundlage entbehrenden Gerüchte in helle Aufregung gerieten (»Alvin, ich kenne dich nun schon, seit du ein kleiner Junge warst. Und darum bitte ich dich, mir klipp und klar zu sagen, ob an dem Gerede etwas dran ist. Ich habe Mr. Clutter bewundert und respektiert, und ich weigere mich zu glauben, dass dieser Mann, dieser überzeugte Christ – ich weigere mich zu glauben, dass er ein Schürzenjäger war …«).
     
    Bei den meisten Anrufern handelte es sich jedoch um verantwortungsbewusste, hilfsbereite Bürger (»Haben Sie Nancys Freundin Sue Kidwell eigentlich schon vernommen? Ich habe mit der Kleinen gesprochen, und was sie gesagt hat, will mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie sagte, bei ihrem letzten Gespräch habe Nancy ihr erzählt, Mr. Clutter sei schrecklich bedrückt. Und das schon seit drei Wochen. Irgendetwas mache ihm wohl große Sorgen, meinte sie, so große Sorgen, dass er deshalb sogar mit dem Rauchen angefangen habe …«) oder aber Leute, die sich von Berufs wegen für die Morde interessierten – Sheriffs und Polizeibeamte aus anderen Teilen des Staates (»Ich weiß nicht, ob euch das weiterhilft, aber ein Barkeeper hier hat zwei Burschen dabei belauscht, wie sie sich über den Fall unterhalten haben, und das hörte sich offenbar ganz danach an, als hätten sie einiges damit zu tun …«). Und obwohl all diese Gespräche den Ermittlern bislang nichts als Mehrarbeit beschert hatten, konnte schon der nächste Anruf den ersehnten Durchbruch bringen, der, wie Dewey sich auszudrücken pflegte, »alle Klarheiten beseitigte«.
    Kaum hatte Dewey jetzt den Hörer abgenommen, hörte er eine Männerstimme sagen: »Ich will ein Geständnis ablegen.«
    »Mit wem spreche ich, bitte?«, fragte er.
    Der Anrufer wiederholte seine Worte und setzte hinzu:
    »Ich war’s. Ich hab sie alle umgebracht.«
    »Aha«, sagte Dewey. »Wenn Sie mir freundlicherweise Namen und Anschrift …«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte der Mann mit entrüsteter, alkoholschwangerer Stimme. »Solange ich die Belohnung nicht habe, sage ich keinen Ton. Sie lassen mir die Belohnung zukommen, dann verrate ich Ihnen, wer ich bin. Das ist mein letztes Wort.«
    Dewey ging zurück ins Bett. »Nein, Schatz«, sagte er.
    »Nichts von Bedeutung. Nur ein Betrunkener.«
    »Was wollte er?«
    »Ein Geständnis

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