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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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wurde.
    Gott, ich muss immer daran denken, was aus ihr wohl werden wird. Babe. Eine Frau aus Garden City hat Kenyons Hund zu sich genommen. Teddy. Er ist ihr weggelaufen – zurück nach Holcomb. Aber sie hat ihn sich wiedergeholt. Und ich hab Nancys Katze – Evinrude.
    Aber Babe. Sie wird bestimmt verkauft. Das fände Nancy bestimmt schrecklich. Sie wäre mit Sicherheit fuchsteufelswild. Am nächsten Tag, einen Tag vor der Beerdigung, saßen Bobby und ich am Bahndamm und sahen den vorbeifahrenden Zügen zu. Völlig apathisch. Wie Schafe im Schneesturm. Da kriegte Bobby plötzlich einen Rappel und sagte: ›Eigentlich müssten wir zu Nancy gehen. Eigentlich müssten wir bei ihr sein.‹ Also fuhren wir nach Garden City – zum Bestattungsinstitut Phillips in der Main Street. Ich glaube, Bobbys kleiner Bruder war auch dabei. Nein, ich bin sogar ganz sicher. Wir haben ihn nämlich noch von der Schule abgeholt. Und er hat uns erzählt, dass am nächsten Tag der Unterricht ausfallen würde, damit alle Kinder aus Holcomb zum Begräbnis gehen könnten. Und was die Kinder von der Sache hielten. Er meinte, sie wären überzeugt, dass es ›ein Auftragskiller‹ war. Ich wollte davon nichts hören. Ist doch eh alles nur Klatsch und Tratsch – und das konnte Nancy auf den Tod nicht ausstehen. Außerdem ist es mir im Grunde egal, wer es getan hat. Darum geht es nicht.
    Meine Freundin ist tot. Was habe ich davon, wenn ich weiß, wer sie ermordet hat? Das macht sie auch nicht wieder lebendig. Alles andere spielt keine Rolle. Sie wollten uns nicht reinlassen. Bei Phillips, meine ich.
    ›Niemand darf die Familie sehen‹, hieß es. Nur die Verwandten. Aber Bobby ließ nicht locker, und schließ lich gab der Bestattungsunternehmer nach – er kannte Bobby, und ich glaube, er tat ihm leid – und sagte na gut, kommt rein, aber das bleibt unter uns. Ach, wären wir doch bloß nicht reingegangen.«
    Die vier Särge, die den kleinen, blumenüberfüllten Raum fast völlig einnahmen, sollten noch vor der Beisetzung versiegelt werden – was nicht im Mindesten erstaunte, denn obgleich man beim Herrichten der Leichen äußerste Sorgfalt hatte walten lassen, boten sie einen verstörenden Anblick. Nancy trug ihr kirschrotes Samtkleid, ihr Bruder ein helles, kariertes Hemd; die Eltern waren dezenter gekleidet, Mr. Clutter in marineblauen Flanell, seine Frau in marineblauen Crepe; was ihrer Erscheinung jedoch etwas geradezu Gespenstisches gab, war die Watte, die ihre Köpfe vollständig umhüllte, aufgeschwollene Kokons, doppelt so groß wie ein gewöhnlicher Luftballon, und da man sie mit einer glänzenden Substanz besprüht hatte, funkelte die Watte wie künstlicher Schnee auf einem Weihnachtsbaum.
    Susan machte auf der Stelle kehrt. »Ich ging nach draußen und wartete im Wagen«, erinnerte sie sich.
    »Gegenüber harkte ein Mann Laub zusammen. Ich starrte ihn ununterbrochen an. Ich hatte Angst, die Augen zuzumachen. Angst, ohnmächtig zu werden. Also sah ich ihm zu, wie er Laub zusammenharkte und es verbrannte.
    Sah ihm zu, ohne ihn wirklich zu sehen. Denn ich sah nur noch das Kleid. Ich kannte es so gut. Wir hatten den Stoff zusammen ausgesucht. Sie hatte es selbst entworfen und genäht. Ich weiß noch, wie aufgeregt sie war, als sie es das erste Mal trug. Zu einer Party. Ich sah nur noch Nancys rotes Samtkleid. Und Nancy. Wie sie darin tanzte.«
     
    Der Kansas City Star berichtete ausführlich über das Begräbnis, doch die Nummer mit dem fraglichen Artikel war bereits zwei Tage alt, als Perry ihn auf seinem Hotelbett liegend las. Oder vielmehr überflog und dabei von einem Absatz zum nächsten sprang: »Tausend Menschen, so viele wie noch nie in der fünfjährigen Geschichte der First Methodist Church, nahmen heute an den Begräbnisfeierlichkeiten für die vier Opfer teil …
    Mehrere Mitschülerinnen Nancys von der Holcomb High School weinten, als Reverend Leonard Cowan sagte: ›Und ob wir schon wandern im finstern Tal, gibt Gott uns Mut, Liebe und Hoffnung. Ich bin sicher, dass er in ihren letzten Stunden mit ihnen war. Nie hat Jesus uns versprochen, dass wir weder Schmerz noch Leid würden erdulden müssen, stets hat Er gesagt, Er werde uns Leid und Schmerz ertragen helfen‹ … An diesem für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Tag fanden sich etwa sechshundert Menschen auf dem am Nordrand der Stadt gelegenen Valley View Cemetery ein. Dort beteten sie am Grab das Vaterunser. Obwohl sie flüsterten, waren ihre Stimmen über den

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