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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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zurück,
    Und durchstreifen die Welt nach Belieben.
    Sie durchwandern das Feld und durchwaten die Flut
    Und erstürmen die Gipfel im Nu;
    Was sie treibt, das ist ihr Zigeunerblut,
    Denn es gönnt ihnen niemals Ruh.
    Sie sind ehrlich und tapfer und brächten es weit,
    Wenn sie’s hielte an einem Ort,
    Doch ertragen sie’s nicht, und nach kürzester Zeit
    Lockt das Neue und Fremde sie fort.
     
    Er hatte sie nie wiedergesehen und auch nichts mehr von ihr gehört, dennoch hatte er sich ihren Namen ein paar Jahre später auf den Arm tätowieren lassen und, als Dick ihn einmal fragte, wer diese »Cookie« denn nun eigentlich sei, geantwortet: »Niemand. Ein Mädchen, das ich fast mal geheiratet hätte.« (Dass Dick verheiratet gewesen war – und das gleich zweimal – und noch dazu drei Söhne in die Welt gesetzt hatte, machte ihn neidisch. Eine Frau, Kinder – diese Erfahrungen gehörten seiner Meinung nach »zum Leben eines Mannes«, selbst wenn sie ihn, wie in Dicks Fall, »nicht glücklich machten und ihm auch sonst wenig brachten«.)
    Die Ringe wurden für hundertfünfzig Dollar versetzt.
    Bei Goldman’s, einem anderen Juwelier, ergatterten sie eine goldene Herrenarmbanduhr. Dann ging es weiter zum Elko Camera Store, wo sie eine exklusive Filmkamera »kauften«. »Kameras sind eine erstklassige Investition«, erklärte Dick. »Sie lassen sich spielend wieder abstoßen oder verpfänden. Kameras und Fernseher.« Aus diesem Grund beschlossen sie, gleich mehrere davon zu »erwerben«, und plünderten, als das vollbracht war, rasch noch das eine oder andere Kleiderkaufhaus – Sheperd & Foster’s, Rothschild’s, Shopper’s Paradise. Als es dunkel wurde und die Läden schlossen, hatten sie die Taschen voller Geld, und im Wagen stapelte sich jede Menge Ware, die sich problemlos versetzen oder weiterverkaufen ließ. Beim Anblick der erbeuteten Hemden und Feuerzeuge, der teuren Elektrogeräte und billigen Manschettenknöpfe überkam Perry ein Gefühl der Größe und Erhabenheit – endlich: Mexiko, ein Neuanfang, ein »lebenswertes« Leben. Doch Dick schien deprimiert. Er tat Perrys Lobeshymnen achselzuckend ab (»Wirklich, Dick. Du warst fantastisch. Fast hätte ich dir jedes Wort geglaubt«). Und Perry verstand die Welt nicht mehr; es war ihm ein Rätsel, wie Dick, der sonst so große Stücke auf sich hielt, ausgerechnet jetzt, wo er allen Grund zur Freude hatte, derart kleinlaut, derart trüb und traurig dreinschauen konnte. »Komm«, sagte Perry. »Ich geb dir einen aus.«
    Sie gingen in eine Bar. Dick trank drei Orange Blossoms.
    Nach dem dritten fragte er plötzlich: »Und was wird aus Dad? Ich hab das Gefühl … Herrgott, er ist so ein netter alter Knabe. Und meine Mutter – du hast sie ja gesehen.
    Was soll aus ihnen werden ? Ich bin längst in Mexiko.
    Oder werweißwo. Wenn die Schecks einer nach dem anderen platzen. Aber sie sind hier. Ich kenne Dad. Der will für den Schaden aufkommen. War schließlich nicht das erste Mal. Dabei kann er sich das gar nicht leisten – er ist alt und krank und bettelarm.«
    »Das kann ich nachfühlen«, sagte Perry mit aufrichtigem Ernst. Er war zwar kein herzlicher Mensch, aber er war sentimental, und Dicks Zuneigung zu seinen Eltern, seine Sorge um Mutter und Vater rührte ihn. »Mensch, Dick. Das ist doch ganz einfach«, sagte er. »Wir können die Schecks selbst abstottern. Wenn wir erst mal in Mexiko sind und auf festen Füßen stehen, verdienen wir Geld. Viel Geld.«
    »Wie?«
    »Wie?« – was wollte Dick damit sagen? Die Frage befremdete Perry. Schließlich hatten sie sich über die verschiedensten Projekte unterhalten. Goldschürfen und nach versunkenen Schätzen tauchen – das waren nur zwei der Pläne, die Perry ihm begeistert unterbreitet hatte.
    Und das war noch längst nicht alles. Das Boot, zum Beispiel. Sie hatten oft von dem Hochseefischerboot gesprochen, das sie sich kaufen und in Eigenregie an Touristen vermieten wollten – dabei hatten weder Dick noch Perry je auch nur ein Kanu gesteuert, geschweige denn einen Guppy an der Angel gehabt. Außerdem ließ sich schnelles Geld verdienen, wenn man gestohlene Autos über die Grenze nach Südamerika kutschierte.
    (»Das bringt fünfhundert Scheine pro Tour«, glaubte Perry irgendwo gelesen zu haben.) Doch obgleich ihm unzählige Antworten einfielen, begnügte er sich damit, Dick an das Vermögen zu erinnern, das sie auf Cocos Island erwartete, einem winzigen Fleckchen Land vor der Küste Costa Ricas. »Ohne

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