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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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die mit klirrenden silberund türkisfarbenen Armreifen an den Handgelenken in halsbrecherischem Tempo ebensolche Reitkunststücke vollführte, bei denen ihrem jüngsten Kind der Atem stockte und die Zuschauer von Texas bis Oregon »begeistert aufsprangen und klatschten«.) Das bewährte, »Tex & Flo« genannte Team blieb beim Rodeozirkus, bis Perry fünf war. Das Leben, das sie führten, war »weiß Gott kein Honigschlecken«, erinnerte Perry sich einmal: »Wir waren zu sechst mit einem alten Truck unterwegs, in dem wir manchmal auch schliefen, und ernährten uns hauptsächlich von Maisbrei, Hershey’s Schokoladenbonbons und Kondensmilch. Eagle-Brand-Kondensmilch hieß das Zeug, und der viele Zucker darin hat meine Nieren so stark geschädigt, dass ich dadurch zum Bettnässer wurde.« Dennoch war es kein unglückliches Dasein, insbesondere für einen kleinen Jungen, der stolz war auf seine Eltern und sie für ihr Showtalent und ihren Mut bewunderte – jedenfalls ein glücklicheres Leben als das, was dann kam. Denn nachdem Tex und Flo ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen hatten aufgeben müssen, ließen sie sich bei Reno, Nevada, nieder. Sie lagen sich ständig in den Haaren, und Flo »flüchtete sich in den Whisky«, und dann, als Perry sechs war, ging sie nach San Francisco und nahm die Kinder mit. Es war genau so, wie der Alte es beschrieben hatte: »Ich lies sie gehen und verabschiedete mich von ihr und sie nahm den Wagen und lies mich allein (das war während der Weltwirtschaftskrise). Die Kinder schrien wie am Spies. Aber sie schimpfte nur und meinte, sie würden früher oder später sowieso weglaufen und zu mir zurück kommen.«
    Und tatsächlich war Perry in den folgenden drei Jahren mehrmals fortgelaufen, um seinen verlorenen Vater zu suchen, denn er hatte auch seine Mutter verloren, hatte gelernt, sie zu »verachten«; der Schnaps hatte ihr Gesicht entstellt, den Körper der einst ranken, schlanken Cherokesin aufgeschwemmt, hatte ihre »Seele vergiftet«, sie in eine spitzzüngige Giftschlange verwandelt und ihre Selbstachtung derart zersetzt, dass sie sich gewöhnlich nicht einmal die Mühe machte, die Namen der Schauerleute oder Trambahnschaffner zu erfragen, die ihre gratis angebotenen Dienste nur allzu gern in Anspruch nahmen (unter der Bedingung, dass sie ihr beim Trinken Gesellschaft leisteten und zu den Melodien eines Victrola-Aufziehgrammophons mit ihr tanzten).
    Folglich dachte Perry »pausenlos an Dad, in der Hoffnung, dass er mich holen kommen würde, und ich weiß es noch wie heute, wie glücklich ich war, als ich ihn endlich wiedersah. Und er plötzlich auf dem Schulhof stand. Es war wie ein Volltreffer beim Baseball. Di Maggio. Nur dass Dad mir gar nicht helfen wollte. Er sagte bloß, ich soll schön brav sein, umarmte mich und ließ mich stehen. Kurz darauf hat meine Mutter mich dann in ein katholisches Waisenhaus gesteckt. Wo die Schwarzen Witwen von früh bis spät auf mir herumhackten. Und mich schlugen. Weil ich ins Bett machte. Das ist einer der Gründe, weshalb ich etwas gegen Nonnen habe. Und Gott. Und Religion. Aber ich kam schnell dahinter, dass es Menschen gibt, die noch viel schlimmer sind. Denn nach ein paar Monaten flog ich aus dem Waisenhaus, und sie (seine Mutter) steckte mich in ein Kinderheim der Heilsarmee. Es war die Hölle. Die konnten mich auch nicht leiden. Weil ich ins Bett machte. Und weil ich ein halber Indianer war. Eine von den Schwestern nannte mich ›Nigger‹ und meinte: ›Nigger. Indianer. Wo ist da der Unterschied?‹ Gott, was für ein widerliches Miststück! Der Teufel höchstpersönlich. Manchmal ließ sie eiskaltes Wasser in eine Wanne laufen, setzte mich hinein und hielt mich so lange unter Wasser, bis ich blau war. Einmal bin ich fast ertrunken. Aber sie kamen ihr auf die Schliche, dieser Schlampe. Weil ich eine Lungenentzündung kriegte. Ich wär beinahe verreckt. Ich lag zwei Monate im Krankenhaus. Um diese Zeit kam Dad zurück. Und als ich wieder gesund war, nahm er mich mit.«
    Fast ein Jahr lang lebten Vater und Sohn gemeinsam in dem Haus bei Reno, und Perry ging zur Schule. »Nach der dritten Klasse war Schluss«, erinnerte er sich. »Und wenn ich Schluss sage, dann meine ich Schluss. Ich bin nie wieder hingegangen. Denn in diesem Sommer baute Dad eine Art primitiven Wohnwagen, den er ›Haus auf Rädern‹ nannte. Mit zwei Pritschen und einer kleinen Kochnische. Der Ofen war gut. Darauf konnte man praktisch alles kochen. Wir backten unser

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