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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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schrieb mir, er hätte ein Stück Land am Highway ein paar Meilen außerhalb von Anchorage gekauft.
    Dort wollte er eine Jagdhütte für Touristen bauen.
    ›Trapper’s Den Lodge‹ – so sollte sie heißen. Er bat mich, so schnell wie möglich zu kommen und ihm dabei zu helfen. Er war sicher, dass sich damit ein Vermögen machen ließ. Tja, bei der Army, in Fort Lewis, hatte ich mir ein Motorrad gekauft (Mordrad wäre passender) und fuhr gleich nach der Entlassung los, Richtung Alaska. Ich kam bis Bellingham. Oben an der Grenze. Es regnete. Der Bock geriet ins Schleudern.«
    Dadurch verzögerte sich das Wiedersehen mit seinem Vater um ein ganzes Jahr. Nach diversen Operationen verbrachte er die ersten sechs Monate im Krankenhaus; anschließend erholte er sich in der bei Bellingham gelegenen Waldhütte eines jungen Indianers, der als Fischer und Holzfäller sein Brot verdiente. »Joe James.
    Seine Frau und ihn kannte ich noch von früher. Obwohl sie nur zwei oder drei Jahre älter waren als ich, nahmen sie mich bei sich auf und behandelten mich wie einen Sohn. Ich hatte nichts dagegen. Denn sie liebten ihre Kinder, und sie sorgten gut für sie. Damals hatten sie vier; inzwischen sind es sieben. Sie waren sehr gut zu mir, Joe und seine Familie. Ich ging auf Krücken und war ziemlich hilflos. Saß den ganzen Tag nur herum. Um mir die Zeit zu vertreiben und mich nützlich zu machen, richtete ich eine Art Schule ein. Joes Kinder und ihre Freunde waren die Schüler, und der Unterricht fand im Wohnzimmer statt. Ich brachte ihnen Mundharmonika und Gitarre bei.
    Zeichnen. Und Schönschreiben. Alle sagen, ich hätte so eine wunderschöne Schrift. Das stimmt, ich hab mir nämlich mal ein Buch darüber gekauft und so lange geübt, bis ich genau so schreiben konnte wie in dem Buch. Wir lasen auch Geschichten – die Kinder lasen vor, immer abwechselnd, und ich verbesserte sie. Das hat großen Spaß gemacht. Ich mag Kinder. Kleine Kinder.
    Und es war eine schöne Zeit. Aber dann kam der Frühling. Ich hatte zwar noch Schmerzen, aber ich konnte wieder gehen. Und Dad wartete immer noch auf mich.«
    Er wartete, war aber keineswegs untätig gewesen. Als Perry an der Stelle eintraf, wo die geplante Jagdhütte entstehen sollte, hatte sein Vater, ohne fremde Hilfe, die schwersten Arbeiten bereits erledigt – hatte den Boden gerodet, das nötige Holz geschlagen, ganze Wagenladungen von Steinen zerkleinert und abtransportiert.
    »Aber mit dem Bau hat er erst angefangen, als ich kam.
    Wir haben ausnahmslos alles selbst gemacht. Nur hin und wieder half uns ein Indianer. Dad schuftete wie ein Irrer.
    Und das bei jedem Wetter, egal ob es schneite, regnete oder ein Sturm die Bäume wie Streichhölzer umknickte – wir machten weiter. An dem Tag, als das Dach fertig wurde, tanzte Dad darauf herum, schrie und lachte, legte einen regelrechten Jig hin. Ja, die Bude war schon was Besonderes. Übernachtungsmöglichkeiten für zwanzig Leute. Ein großer offener Kamin im Speisezimmer. Und eine Cocktailbar. Die Totem Pole Cocktail Lounge. Wo ich die Gäste unterhalten sollte. Singen und so. Ende 1953 war Eröffnung.«
    Doch von den erhofften Hobbyjägern keine Spur, und obgleich gewöhnliche Touristen – so sie sich denn überhaupt hierher verirrten – bisweilen anhielten, um die hemmungslos rustikale Trapper’s Den Lodge zu fotografieren, blieben sie doch selten über Nacht. »Eine Zeitlang machten wir uns etwas vor. Redeten uns ein, dass es schon werden würde. Dad versuchte die Bude aufzumotzen. Er legte einen ›Garten der Erinnerung‹ an. Mit Wunschbrunnen. Und pflasterte den Highway mit selbstgemalten Schildern. Aber das alles brachte keinen müden Cent. Als Dad klar wurde, dass es zwecklos war – dass wir Zeit und Geld sinnlos verschwendet hatten –, ließ er seine Wut an mir aus. Kommandierte mich herum.
    Schimpfte. Warf mir vor, ich läge den ganzen Tag nur auf der faulen Haut. Dabei konnte ich genauso wenig dafür wie er. In so einer Situation – kein Geld, und die Fressalien wurden langsam knapp – mussten wir uns zwangsläufig auf die Nerven gehen. Nach einer Weile hatten wir kaum noch was zu beißen. Und gerieten mächtig aneinander. Auslöser war angeblich ein Brötchen. Dad riss mir ein Brötchen aus der Hand und meinte, ich würde zu viel essen und überhaupt, was für ein gieriges, egoistisches Arschloch ich doch war, und warum ich nicht endlich abhaue, er will mich hier nicht mehr sehen. Und immer so weiter, bis ich es

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