Kaltduscher
feucht.
Also jetzt reden. Prima. Nur, wer fängt an? Aber noch während ich darüber nachdenke, höre ich schon meine Stimme.
»Also weißt du, Julia, das tut mir echt leid, dass ich morgen wieder was sexuelles? gesmst habe, aber weißt du, ich war irgendwie bisschen gekränkt, dass du mir es war nur was sexuelles gesmst hast, das war halt schon ziemlich schroff, nicht wahr? Und da dachte ich, also weil für mich war es eben nicht nur was Sexuelles, muss ich mal ganz deutlich sagen, und da dachte ich, also weil wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, und da dachte ich, ich schreib jetzt mal ganz dreist morgen wieder was sexuelles?, weißt du? Aber jetzt ist mir klar, dass du wahrscheinlich gekränkt warst, dass ich mich so lange nicht gemeldet hab, und das stimmt ja auch, aber an dem Tag ist halt bei uns das Wasser ausgefallen, und dann haben wir zusammen das Nord-Derby geguckt, und dann wollte ich dir abends gerade smsen, also wollte ich wirklich gerade, ehrlich, ich hab schon schlaf gut getippt und hab nur noch ewig rumgegrübelt wegen dem Satzendzeichen, oder ein Smiley hätte ich ja auch machen können, also wegen den Feinheiten hab ich halt noch so rumüberlegt, und auch, ja stimmt, am Ende habe ich mich dann noch für ich hoffe, ich träume von dir entschieden, na ja, und dann kam deine SMS rein, einfach so mittendrin, und da musste ich dann noch mal von vorne überlegen und bin dann erst mal eingeschlafen, und am nächsten Tag musste ich erst mal nach Hamburg wegen dem Ernie-Casting, aber ich hab dauernd überlegt, was sms ich bloß zurück, was sms ich bloß zurück, und du weißt ja, wenn man zu lange überlegt, kommt oft der größte Mist raus, und das würde ich jetzt auch total gerne wieder rückgängig machen, aber, ich weiß nicht, ich…«
Sie lächelt und stellt ihr Bier auf den Tisch.
»Zeigst du mir jetzt endlich das neue Klo?«
»Ach so, ja klar, Tschuldigung…«
Sie zieht mich an der Hand in den Flur. Wie jetzt? Das gibts doch nicht. reden! Das war jetzt also auch schon wieder ein Code. Ich lerne es nie. Im Nu sind wir im neuen Klo verschwunden. Julia streift ihre Espandrillos ab, macht es sich bequem und schlingt mir ihre Beine um den Hals.
»Vorsicht, ich weiß nicht, ob man auf der Abwasserhebeanlage…«
Aber schon im nächsten Moment sind wir wieder völlig in unserem Umkleidekabinenfilm verschwunden. Unsere Haut ist immer noch ganz heiß von draußen. Einen Moment will ich nichts lieber, als aus Retos blöder Jeans rauszukommen. Einen Moment später hat sich der Wunsch bereits erfüllt. Ich kümmere mich nicht mehr darum, worauf wir sitzen, stehen oder liegen. Ich spüre ihre zarten Hände. Es kommt mir vor, als ob sie in diesem Augenblick mindestens acht davon hat. Die verschlängelten Brazil-Röhren schwanken wild vor meinen Augen hin und her. Einen Spiegel sollten wir hier unbedingt noch anbringen, denke ich mir noch. Einen großen…
Mittendrin in unserem Spiel habe ich auf einmal ein Déjà-vu. Es ist wie beim ersten Mal bei H&M. Auf einmal wird wieder gehauen. Bloß diesmal ist es umgekehrt. Julia haut mich. Sie schlägt mir ein dünnes Taschenbuch um die Ohren. Keine Ahnung, wo das auf einmal herkommt. Muss da irgendwo rumgelegen haben. Und noch etwas ist anders. Bei H&M sind wir vom Kämpfen zum Sex hinübergeglitten. Jetzt gleiten wir anscheinend gerade in die entgegengesetzte Richtung. Obwohl, nein, wir gleiten nicht von einem Zustand zum nächsten hin. Wir befinden uns vielmehr in zwei Zuständen gleichzeitig. Oder, besser gesagt, wir sind zweigeteilt. Während unsere Unterkörper einfach weiter Sex haben, sind die Oberkörper auf einmal mit Hauen und Abwehren beschäftigt. Und irgendwie spüre ich auch, dass Julia hier kein abgefahrenes S&M-Erregungssteigerungsprogramm durchzieht, was in dem Stadium, in dem wir uns gerade befinden, sowieso völlig überflüssig wäre, sondern dass sie etwas auf dem Herzen hat.
Unsere Unterkörper nehmen sich allerdings gelassen alle Zeit, die sie brauchen, und zum Glück sieht Julias Oberkörper bald ein, dass er es jetzt vorläufig mal gut sein lassen sollte mit der Hauerei, was auch immer dahinterstecken mag. Nur das Taschenbuch hält sie weiter verbissen fest, als dürfte sie es auf keinen Fall verlieren.
Als die Unterkörper endlich die Nach-Höhepunkt-Entspannungsphase einläuten, lehnen wir uns erst mal wieder schwer atmend aneinander und belassen es dabei, uns ab und zu erschöpft und glücklich
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