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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Herrn Weidinger und den echten Arturo-Ui-Gemüsehändlern her. Gonzo und Tobi haben natürlich keine Ahnung, dass wir jetzt gleich in eine Kostümprobe von Bushidos Brecht-Inszenierung hineinstolpern. Der Einzige, der noch was geradebiegen kann, bin ich. Ich schleiche mich an einen von den echten Schauspielern heran.
    »Pst! Wir sind eigentlich nur die Vertretung. Wie geht noch mal der Text?«
    Er sieht mich nur an und verdreht die Augen, was mit der ganzen grünen Schminke extra krass wirkt, weil das Augenweiß so noch viel mehr aus dem Gesicht herausknallt.
    Ein paar Sekunden später stehen wir tatsächlich auf der Probebühne. Ich versuche, mich zu beruhigen. Was kann schon passieren? Wir fliegen halt jetzt irgendwie auf, und dann schmeißen sie uns raus. Wird halt ein bisschen peinlich, aber so im Großen und Ganzen betrachtet macht das ja nichts. Schlimmstenfalls kriegen wir Hausverbot. Ich hoffe nur, dass sie sich nicht mein Gesicht merken. Wäre blöd, wenn ich mich später mal hier als Schauspieler bewerben will.
    Die Bühnenscheinwerfer blenden, so dass ich die Leute im Auditorium nur mühsam erkennen kann. Ein kleines Grüppchen Damen und Herren mit Papieren, Notizbüchern und Klemmmappen in der Hand. Sie glucken auf den Sitzen zusammen und tuscheln. Plötzlich kommt aus dem Hintergrund irgendwo ein kleiner Junge mit Baggy-Pants und Goldkette angeschossen und baut sich breitbeinig vor der Bühne auf.
    »Okay, Jungs, hört mir zu. Euer Text ist geschtrischn. Klar? Isch will während der ganzen Zene keinen von eusch sehn, der sein Maul aufmachen tut, is dis kapiert?«
    Hm, Text gestrichen. Das gibt uns immerhin eine faire Chance, hier vielleicht doch noch unerkannt rauszukommen.
    »Falls ihrs noch nisch wisst, isch bin Goofyman. Alles, was isch sage, kommt direkt von Bushido, okay?«
    Er versucht, sehr gefährlich auszusehen. Man sollte jetzt lieber nicht an seinem Selbstbewusstsein kratzen.
    »Okay.«
    »Maul halten hab isch gesagt! Also isch sag jetzt eusch, was ihr zu tun habt, macht eure verfickten Lauscher auf. Also, wie gesagt, Text ist geschtrischn. Alles, was ihr machen sollt, ist schwul rumlaufen und schwul in die Gegend schauen. Später kommt dann eine Räppergäng und mischt eusch auf. Is dis kapiert, oder is dis zu schwierisch?«
    Wir nicken. Das Grüppchen im Auditorium fasst sich kollektiv an die Stirn und holt Luft. Danach schauen sie alle verzweifelt auf den Boden und schütteln die Köpfe. Die Bewegung ist perfekt synchron. Es wirkt, als hätten sie das in den letzten Tagen immer wieder geprobt.
    »Also was jetzt? Kapiert oder zu schwierisch?«
    »Kapiert.«
    »Maul halten hab isch gesagt! Zum letzten Mal! So und jetzt Ausgangsposition und los. Isch hab nisch viel Zeit.«
    Die echten Schauspieler stellen sich am linken Bühnenrand auf. Wir stellen uns einfach neben sie.
    »He, du da! Mach den Kaugummi raus!«
    »Ist nur Hackbraten. Schluck ich einfach runter, okay?«
    »Maul halten! Und jetzt – Äktschn! Ich will sehen, wie ihr schwul rumlauft und schwul in die Gegend schaut.«
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die echten Schauspieler fragend in Richtung Grüppchen im Auditorium schauen. Das Grüppchen zieht verzweifelt die Schultern hoch und macht danach mit zwei Fingern die »Denkt an das Geld«-Geste. Wieder sind die Bewegungen perfekt synchron.
    Wir setzen uns in Bewegung.
    »Schwuler! Noch viel schwuler! Ey, habt ihr Scheiße in die Lauscher! Schwuler, hab isch gesagt! Ey, das ist gar nichts! Ey, seid ihr zu schwul zum Schwulsein, oder was? Ey Weidinger, was hast du mir da für schwule Arschgeign besorgt? Die sind zu schwul für den Job! Isch brauch Schwule! Sofort!«
    Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Dann sehe ich, wie sich eine Gestalt langsam aus dem Grüppchen löst. Sie nähert sich dem keifenden Jungen von hinten, packt ihn am Genick und am Hosenboden und trägt ihn weg. Er zappelt und fuchtelt, kann sich aber nicht aus dem eisernen Griff herauswinden.
    »Ey! Lass misch los! Ey, isch mach disch Krankenhaus! Ey, hörst du? Das sag isch Bushido! Das sag isch Bushido! Ey guck, hier is mein Handy! Isch ruf Bushido an! Ey, isch machs wirklisch…«
    Einer aus dem Auditoriumsgrüppchen beginnt leise Beifall zu klatschen. Die anderen fallen ein. Das wiederum scheinen sie die letzten Tage nicht geprobt zu haben. Der Mann verschwindet mit dem Rapper am Schlafittchen durch eine Tür. Irgendwoher kenne ich ihn. Das Gesicht, die Haare… oh nein, jetzt weiß ichs. Das war

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