Kaltduscher
nichts für mich. Krächz.«
»Ach so.«
Ich setze mich mit meiner Jeans-Store-Tüte in die U-Bahn und mache mich auf den Heimweg. Um mir die Endgültigkeit meiner Entscheidung richtig bewusst zu machen, lese ich noch mal den Kassenzettel.
Herren-Jeans Pepe Yob 119,90 Euro, Verkäufer Guntram Liebig.
Unverschämt der Preis, aber der Verkäufername ist es fast schon wieder wert. Und überhaupt, dass ich das mit der Hose geschafft habe, macht mich euphorisch. Es ist gerade mal Mittag. Vielleicht kann ich ja heute noch ein paar andere Sachen reißen? Zum Beispiel das Geschenk für Papa finden. Und ich könnte die Warten-auf-Godot-Anfangsszene für die Aufnahmeprüfung zur endgültigen Perfektion treiben. Wenn ich diesen gewissen Hauch von dumpfer Dauerverzweiflung in die Stimme gelegt bekomme, hab ich sicher gute Chancen. Außerdem könnte ich das Loch in meiner Wand irgendwie mal verschließen. Vielleicht Tücher davorhängen oder ein paar Pappkartons zurechtschnitzen. Oder ich lasse mir von Reto zeigen, wie man richtig mauert. Der kann das bestimmt. Dann können Elvin und Adrian endlich nicht mehr einfach so reinplatzen. Und vor allem muss ich natürlich »Ladidadidam, Ladidadidam« üben.
Raus aus der U-Bahn, rein in die Hitze. Den Schwung muss ich jetzt mitnehmen… SMS!
arschloch!
…
Also jetzt reichts! Wenn nicht mal Rechtgeben hilft, dann weiß ich auch nicht mehr. Das wird jetzt gleich erledigt. Hab ja schließlich auch noch andere Dinge zu tun. Ich hämmere »selber arschloch« in die Tasten und drücke »senden«.
»Jauuuuuuuuuuuuuuul!«
»Oh, hallo Amelie, hallo Lambert.«
Schnell weg mit dem Handy. Da stecken zu viel negative Vibrationen drin.
»Jauuuul! Jauuuuuuuuuuuul!«
Ist ja gut, alter Junge, ich hab doch immerhin das Ausrufezeichen weggelassen, quasi als Hintertür…
»Hallo, Krach. Na, Lambert hat dich ja anscheinend schwer vermisst, was?«
Amelie umarmt mich. Zarter Duft, zarte Hände, Zwangsemotionen, nichts als Zwangsemotionen…
»Oh, hast du dir eine Hose gekauft?«
»Yep. Ging ganz fix.«
»Na, gratuliere.«
Ha, das scheint sie jetzt wirklich ein wenig zu verblüffen.
»Wurde auch langsam mal Zeit, dass ich aus den verschwitzten Reto-Jeans rauskomme. Ich hüpf jetzt erst mal unter die Du… äh, ach nein, geht ja nicht.«
»Komm doch nachher kurz zu mir zum Duschen. Alle paar Tage sollte das schon mal sein bei dem Wetter, oder?«
»Echt?«
»Na klar.«
Ich darf bei Amelie duschen. Ich werde mich nackt in ihrer kleinen weißen Studentenwohnheimapartment-Nasszelle tummeln und mich zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder mit fließendem warmen Wasser besprenkeln. Und sie wird mich draußen mit einem kühlen Getränk erwarten, und ich werde ihr, unwiderstehlich nach Frische-Duschgel duftend, meine Jeans-Store-Hose vorführen. Nur schade, dass sie noch nicht gekürzt ist…
»Aber nur, wenn es keine Umstände macht.«
»Iwo. Komm, wann du willst. Ich bin ab vier da. So, jetzt muss ich aber los. Ich hab gleich Seminar. Machs gut, Krach.«
Noch eine Umarmung. Zwang hin oder her. Emotionen bleiben Emotionen. Kann man sich ruhig mal gönnen.
»Jauuuuuuuuuuul!«
Amelies Duscheinladung hat meinen positiven energetischen Zustand noch einmal gesteigert. Ich gucke mitleidig auf die Gestalten, die rechts und links von mir in der Hitze zerfließen. Bisschen mehr Haltung würde euch echt guttun. Guckt mich mal an. Ich habe gerade einen grässlichen SMS-Streit mit meiner Geliebten hinter mir. Und lasse ich mich vielleicht deswegen hängen?
Ich springe unsere Treppe hoch. Jetzt nur noch schnell ein Bier, und dann gleich ran an die Tasks. Ja, so sagt man das heute… Irgendwie ist mir so, als wäre vorhin das Wort »Geliebte« in meinen Gedankengängen vorgekommen. Sicher nur ein kleiner Fehler im System.
Verfickte Lauscher
Und ich bin mir immer noch sicher, dass ich wirklich noch was geschafft hätte, nachdem ich das Bier gezapft und zwei große Schlucke genommen habe, und ich bin ja auch wirklich gewöhnt, dass hier dauernd die abseitigsten Dinge passieren, und ich will das jetzt auch gar nicht als Entschuldigung vorschieben, aber gerade als ich von der Küche in mein Zimmer gehen will, erstrahlt unser Flur auf einmal in einem Licht, das ich bisher nur aus biblischen Wunderbeschreibungen in Predigten meines Patenonkels Heinz kannte.
Alles ist anders. Der Duft, die Farben, die gesamte Molekülstruktur der Luft hat sich verändert, auch wenn ich nicht genau sagen könnte, woran
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