Kaltduscher
Dann würde ich sie schnell in den Ofen stellen und die Hitze aufdrehen…
Zu spät. Gonzo hat das Werk vollbracht. Er stützt sich auf den Herd und schnauft. Die Anstrengung tut ihm nicht gut.
»Ich glaube, bevor wir die zweite Halbzeit gucken, hängst du besser noch mal kurz den Kopf aus dem Fenster, um frische Luft zu schnappen.«
»Okay… Ich wollte sowieso mal schauen… wie es dem Andrej-Rebukanow-Transparent… geht.«
Seine Stimme klingt sehr schwach. Er lässt sich von uns stützen, als er in sein Zimmer schwankt. Als wir die Fenster aufmachen, springt uns ein Schwall schwülwarmer Luft an.
»Nicht gerade die Brise, die einem mal so richtig den Kopf durchpustet, aber besser als gar nichts, was Gonzo?«
»Schaut mal… das Transparent… ist immer noch… wie neu…, obwohls die ganze Zeit… in der prallen Sonne… hing…«
»Deine Andrej-Rebukanow-Comicfigur ist wirklich der Knaller. Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen?«
»Ich hab mir… eine Mischung aus Karl Dall… und Sponge Bob vorgestellt.«
»Bin gespannt, wie es nach dem Gewitter aussieht. Ich sag mal, das kommt heute auf jeden Fall noch runter.«
»Wollen wir weitergucken?«
Ich sollte ja eigentlich schon längst wieder am Proben sein. Aber jetzt kommen ja noch die Tore von Netzer und Müller. Da würde mir einfach die Ruhe fehlen…
*
In der 70. Minute kommt Reto nach Hause. Wir äugen kurz, ob er eine Madeleine-Fiona im Schlepptau hat. Hat er aber nicht. Wir konzentrieren uns wieder auf das Spiel.
»Chrallo miteinandrch. Oh, das ist der junge Beckenbaurch, odrch?«
»Deutschland – England, Viertelfinale Europameisterschaft 1972.«
Reto zapft sich ein Bier, ohne dabei den Blick vom Bildschirm zu lösen. Dann rückt er sich leise seinen Stuhl zurecht und beteiligt sich an unserer stummen Andacht.
Wenig später kommt Francesco.
»Hallöchen, ich dachte, ich sehe mir das Gewitter gemeinsam mit euch an. Stefan muss noch arbeiten. Oh, eure Fußballer haben ja angenehm kurze Höschen. Schade, dass das nur in schwarzweiß ist. Da hat wohl der Blitz schon irgendwo in einer Sendestation eingeschlagen…«
»Das ist eine DVD. Deutschland – England, Viertelfinale Europameisterschaft 1972.«
»Wie? Dann wisst ihr ja schon, wie es ausgeht.«
»Ja.«
»Wisst ihr, wen ich getroffen habe? Punk-Erwin. Er kann wieder sprechen…«
»Francesco, man redet nicht beim Fußball. Und wenn, dann nur über Fußball. Haben wir dir schon tausendmal gesagt.«
»Aber ihr wisst doch eh schon, wie es ausgeht.«
»Psssst.«
Netzer und Müller hauen die letzten Tore rein, und der Schiedsrichter pfeift ab. Jeder von uns, mit Ausnahme von Francesco, bedauert noch mal still, dass er damals an diesem großen Tag noch nicht auf der Welt war, und Reto schaltet den Fernseher aus. Endlich benutzt er die Zehen. Wir nicken uns hinter seinem Rücken zu. Der Junge ist richtig.
»Wie fühlst du dich, Gonzo?«
»Gut. Wie sonst?«
»Na ja, ich mein ja nur.«
»So, jetzt muss irch abrch untrch die Dusche. Irch bin chranz nassgeschwitzt.«
»Äh Reto, wir haben leider nur noch kaltes Wasser.«
»Okay.«
Er verschwindet trotzdem im Bad. Ein paar Sekunden später hören wir die Dusche. Tobi stürzt zur Badezimmertür und hämmert dagegen.
»Reto, alles klar?«
Die Dusche geht aus.
»Alles klarch. Warum?«
»Haben wir wieder warmes Wasser?«
»Nein. Warum?«
»Na, weil… egal.«
Die Dusche geht wieder an. Die Geräusche der Wassertropfen, die auf dem Duschvorhang einschlagen, lassen keinen Zweifel daran, dass Reto voll aufgedreht hat.
»Der…«
»Der…«
»Der duscht kalt.«
»Brrr, wie hält der das aus?«
»Gonzo wird schon wieder blass.«
»Ich hab mir nur… gerade vorgestellt…, wenn ich das versuchen würde…«
»Denk an was anderes, Gonzo. Schnell.«
»Mon dieu, was für eine Idee. Schon allein beim Gedanken daran schrumpft mein bestes Stück auf Tictac-Größe zusammen.«
Im Hintergrund grollt der erste entfernte Donner. Francesco hat inzwischen Schlips und Sakko abgelegt und sein Hemd aufgeknöpft. Er räkelt sich mit seinem Bier in der Hand, und der Emanuelle-l-bis-4-Stuhl ächzt dazu.
»Könnt ihr jungen Hüpfer mich mal kurz auf den Stand bringen – hat unser geschätzter Herr Vermieter in seiner unendlichen Güte gewisse Dinge wieder in Ordnung gebracht?«
»Eigentlich ja, Francesco. Also jedenfalls dein Zimmer, Krachs Zimmer und das Wasser. Das Blöde ist bloß, dass er die ganze Zeit glaubt, dass wir ihm
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