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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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zurück und mache ihn wieder auf. Ich muss ruhig bleiben. Das ist keine Lasagne. Das ist einfach nur ein Auflauf… ein Nudel-Hackfleisch-Auflauf… ein Nudel-Hackfleisch-Auflauf… der durch horizontal angeordnete zettelartige Nudeln… DRECK!!!
     
    *
     
    Zum hundersten Mal, ich muss das jetzt abhaken. Ich hab zwei wichtige Termine vor der Brust. Wenn ich mich jetzt nicht schleunigst hinter Godot und Ladidadidam klemme, kann ich einpacken. Emotionsbedingte Ausfälle kann ich mir gar nicht leisten. Wenn, dann muss ich das in positive Energie ummünzen.
    Ich starre die unverputzten roten Ziegel an, mit denen das Loch in meiner Wand ausgebessert wurde. Ich sollte mir vielleicht einfach vorstellen, dass ich, genau wie die Bauarbeiter, auch eine Prämie bekomme, wenn ich das Lied in der nächsten halben Stunde zehnmal durchsinge. Und davon, sagen wir mal, mindestens drei Versionen fehlerfrei. Und dabei den ganzen Schmerz über Julia und Amelie in Schönheit verwandeln. Genau. Und die Prämie ist ein Bier.
    Ladi…
    Und ich muss lockerer werden. Andere Künstler trinken dazu einen Piccolo oder nehmen Kokain. Da kann ich ja wohl mal schnell ein Augustiner zischen. Reine Begleitmaßnahme. Hat auf jeden Fall nichts damit zu tun, dass ich jetzt irgendwie meine Prämie vorwegnehmen will.
    In der Küche sitzen Tobi und Arne über ihrem Laptop und gucken angestrengt.
    »Hallo, was macht ihr da?«
    Sie nehmen mich gar nicht wahr. Ich zapfe mir ein Glas voll und setze mich zu ihnen. Auf dem Laptopbildschirm erkenne ich im Vordergrund den Quadrokopter-Roboterarm, der mir heute das Glas Wasser über den Kopf gekippt hat. Die Perspektive ist genau wie bei einem Egoshooter-Computerspiel, quasi als wäre der Arm mein eigener Arm, den ich nach vorne ausgestreckt habe. Die Roboterhand hält eine altmodisch bemalte Kaffeetasse.
    »Was ist das? Counterstrike Senioren-Edition?«
    »Psssssst!«
    Der Arm nähert sich langsam einem Tisch und senkt sich. Tobi, der den Joysick bedient, hat Schweißperlen auf der Stirn. Die Tasse senkt sich wie in Superzeitlupe auf die Tischplatte, bis ihr Boden sie schließlich berührt. Der Roboterarm lässt sie los und entfernt sich wieder. Die Kamera schwenkt, Tasse und Tisch verschwinden aus dem Bild. Ich sehe nun etwas mehr von dem Raum.
    »He, das ist doch die Küche vom S… mmpf.«
    Während Arne mir so fest den Mund zuhält, dass ich kaum noch Luft kriege, sehe ich, wie der Roboterarm durch die Stasi-Opa-Wohnung schwebt und schließlich ganz oben auf dem riesigen Aktenregal im Abhörraum landet, wo er vermutlich nicht gesehen werden kann, außer man steigt mit einer Leiter hoch.
    Tobi atmet durch und klatscht sich mit Arne ab, der mich nun endlich wieder loslässt.
    »Könnt ihr mir jetzt mal erklären, was…?«
    Tobi beginnt mir ins Ohr zu flüstern, während Arne zwei Biere zapft.
    »Wir machen das Gleiche mit dem Stasi-Opa, was die Stasi früher mit allein lebenden Regimekritikern gemacht hat: psychische Verunsicherung.«
    »Aha.«
    »Stell dir vor, die sind in die Wohnungen eingebrochen, während die Leute nicht da waren, und haben einfach nur ein paar Sachen verstellt. Immer wieder, monatelang. Die Leute haben dann angefangen zu denken, dass sie verrückt sind. Einige haben sich sogar umgebracht. Für Regimekritik hatten die meisten auf jeden Fall überhaupt keinen Nerv mehr.«
    »Krass.«
    »Das Gleiche machen wir jetzt mit ihm.«
    »Aber wie habt ihr den Quadrokopter in die Wohnung gebracht?«
    »Na, wir haben eben schnell noch einmal das Schloss an seiner Wohnungstür geöffnet. Diesmal hab ich es sogar in sechs Minuten geschafft.«
    »Und die Hacker-Ehre?«
    »Hey, wir waren nicht in der Wohnung. Wir haben nur kurz den Quadrokopter reinfliegen lassen.«
    »Verstehe. Und der parkt jetzt unsichtbar da oben auf dem Aktenregal, und immer wenn der Typ weg ist, sortiert ihr damit sein Kaffeegeschirr neu.«
    »Oder seine NVA-Ordensammlung oder seine Bleistifte. Je unscheinbarer die Dinge, umso größer die Wirkung, hab ich gelesen.«
    »Brillant. Aber, also nicht, dass der Typ es nicht verdient hätte, aber wenn er sich dann vielleicht wirklich umbringt?«
    »Iwo, so weit lassen wir es nicht kommen. Es gibt noch ein lustiges Finale. Lass dich überraschen.«
    »Sag mal Arne, die Uhr da auf deinem Laptopbildschirm, geht die vor?«
    »Spinnst du? Die läuft atomuhrgesteuert.«
    Mist. Sieben Minuten vor vier. Ich hab den Gonzo-Abhol-Termin vergessen. Ich muss sofort los, sonst wankt er gleich wieder

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