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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Aufpasser-Jackettzipfel drüberziehen. War etwas krampfig.
    Als ich nach meiner Schicht beim Berliner Ensemble vorbeischaue, um die Premierenkarten für »Arturo Ui« zu holen, ist mir etwas mulmig, aber zum Glück läuft mir keiner von den Leuten über den Weg, die bei der Probe gestern dabei waren. Wäre zu peinlich, wenn mich jemand erkennen würde. Weil ich Hunger habe, gehe ich nach kurzem Zaudern doch in die Kantine. Diesmal bin ich auch gerne bereit, den vollen Preis zu bezahlen. Erst als ich schon am Tisch sitze, fällt mir auf, dass das Mädchen an der Kasse wieder nur den Mitarbeiterpreis berechnet hat, obwohl ich diesmal gar nicht verkleidet bin. Ich schlinge meine Reibekuchen mit Apfelmus herunter und mache, dass ich wegkomme. Nicht dass gleich wieder dieser Herr Weidinger anrückt und »Sie sind ja noch nicht mal geschminkt!« brüllt.
    Als ich durch unsere Wohnungstür schlüpfe, trete ich in einen riesigen Berg Klamotten. Beim näheren Betrachten erkenne ich, dass es ausschließlich Gonzo-Klamotten sind. Weiter hinten im Flur sehe ich Lambert. Er hat unsere Schmutzwäschetonne umgekippt und schnuffelt in dem Wäscheberg nach Gonzo-Sachen. Wenn er welche gefunden hat, schleift er sie zur Tür. Das heißt, jetzt, nachdem ich sie aufgemacht habe, geht er dazu über, sie sogar bis ins Treppenhaus zu schleifen.
    »Tag, alter Knabe… Hallo, ist hier jemand?«
    »Fiep, fiep!«
    Die Küchentür, die sonst eigentlich sowieso immer offen ist, öffnet sich. Ein Schwall leckersten Kochdunsts dringt in den Flur. Mitten in dem Schwall steht Amelie.
    »Hallo, Krach… Lambert! Was machst du da schon wieder?«
    »Jauuuuuuuuuul!«
    »Er bringt Gonzos Schmutzwäsche nach draußen. Kann ich ja verstehen, aber wir können jetzt ja eigentlich auch wieder mit der Waschmaschine…«
    »Er ist eifersüchtig, Krach. Er will alles weghaben, was nach Gonzo riecht. Das macht er schon den ganzen Tag.«
    Nicht schlecht, Lambert. Zermürbungstaktik. Könnte klappen, wenn du konsequent weitermachst…
    »Krass.«
    »Superstrange wirklich.«
    »Schade, dass der Hundefutterspot schon durch ist. So was in der Richtung wäre irgendwie noch deutlicher gewesen.«
    Sieh an, die Herren Elvin und Adrian sind doch nicht tot, wie ich gehofft hatte. Sie sitzen auf meinem und auf Retos Platz und atmen Luft, die viel zu gut für sie riecht, und erfreuen sich an Amelies Gesellschaft, die sie nicht verdient haben.
    Elvin fängt an, Lambert mit seinem Kamerahandy zu filmen.
    »Packen wir gleich mal auf Youtube.«
    »Jealous Dog. Das gibt Klicks.«
    »Hallo Krach, übrigens.«
    »Du hast ja jetzt wieder eine richtige Wand in deinem Zimmer, Schätzchen.«
    »Wir dachten vorhin schon, wir sind im falschen Stockwerk.«
    »Und was ist das? Oh, Karten für ›Arturo Ui‹. Wir haben unsere schon zurückgegeben.«
    »Musst du dich beeilen, glaub ich. Die haben schon angekündigt, dass sie nicht alle zurücknehmen werden.«
    Ich sehe Amelie an, sie zieht genervt die Schultern hoch. Wenn ich Eier wie Peymann hätte, würde ich die beiden jetzt einfach auch beim Schlafittchen packen und vor die Tür setzen. Aber das soll echt der Gonzo regeln. Müssen wir ihm heute Abend alle mal gemeinsam beibiegen.
    »Übrigens, wir wollten wirklich noch mal ganz lieb Danke bei dir sagen, Krach.«
    »Du warst der chefmäßige Eye Opener für uns.«
    »Wir hatten den Pinklbräu-Job einfach mal so richtig unterschätzt. Uns war nicht klar, dass die so ein massives Imageproblem haben.«
    »Deswegen war es kolossal supi von dir, dass du mal einfach Tacheles geredet hast, weißt du, was ich meine?«
    »Das hat nichts mit Image zu tun. Die Plörre schmeckt einfach nicht.«
    »Sag ich doch. Massives Imageproblem.«
    »Ich versteh euch nicht.«
    »Macht doch nichts. Wir rocken mal weiter.«
    »Ihr dürft gespannt sein.«
    »Tschö mit ö.«
    Ich atme tief durch, als die Tür hinter den beiden ins Schloss fällt. Amelie hat inzwischen die Gonzo-Schmutzwäsche wieder in die Tonne gestopft und macht sich auch bereit zum Gehen.
    »Ich muss leider los zur Uni, Krach. Schau mal, ich stell das hier in den Kühlschrank.«
    Sie zeigt eine mit Frischhaltefolie überzogene Auflaufform.
    »Kannst du Gonzo bitte noch mal sagen, dass er es gegen halb acht in den Ofen stellen soll? Eine halbe Stunde auf 180.«
    »O… Okay.«
    Amelie schlüpft in ihre Schuhe.
    »Machs gut, Krach. Wir sehen uns später.«
    »Fiep!«
    Sie drückt mich kurz.
    »B… Bis dann.«
    Ich taumle langsam zum Kühlschrank

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