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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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irgendwie, dass sie sich jetzt, im krassen Gegensatz zum dramaturgischen Konzept des Sketchs, einfach mal küssen könnten.

Signale
     
    Komisch. Lambert war gar nicht eifersüchtig. Fällt mir jetzt erst auf, nachdem Amelie schon so lange weg und auch der Kuss nur noch ganz schwach zu erahnen ist. Und vor allem Letzteres gibt mir jetzt auch zu denken. Ich habe früher immer geglaubt, dass, falls Amelie mich mal küssen würde, ich diesen Kuss für den Rest meines Lebens spüren würde, dass er in mich einsinken und für immer in meinem Körper herumwandern würde. Aber das ist nicht passiert. Ich kann es mir nicht erklären. Es war mehr so, als hätte mich eins der kleinen Kaninchen auf den Postern in ihrem Bad mit der Nase angestupst. Ob das dieses Woody-Allen-Syndrom ist? Der sagte ja mal, dass er nur so lange verliebt sein kann, wie er nicht mit der Frau zusammen ist, die er anbetet. Sobald das passiert, verliert sie allen Reiz für ihn, weil er ja auch niemals in einen Club eintreten würde, die Leute wie ihn als Mitglieder aufnehmen. Verrückt.
    Eigentlich zu verrückt. Wahrscheinlich ist es mehr so, dass Amelies Kuss ein Spätstarter ist. Bei guten Weinen ist das ja auch manchmal so, dass der tolle Geschmack erst kommt, wenn man sie schon längst runtergeschluckt hat.
    Andererseits muss ich auch sagen, dass ich noch nie erlebt habe, dass ich, während ich auf die Geschmacksexplosion eines Weins warte, plötzlich ganz intensiv an einen anderen Wein denken musste. Jetzt ist es aber so. Ich denke an Julia. Als hätte mir der Kuss eine Tür aufgemacht.
    Hm. 18:34 Uhr. Ihr Tieremanzipationsseminar ist jetzt längst vorbei. Aber sie jetzt anzurufen wäre ganz schön gewagt. »Hallo Julia, vertragen wir uns doch wieder – ach, und der Vollständigkeit halber wollte ich noch erwähnen, dass Amelie und ich uns gerade geküsst haben, aber ich will dazu auch anmerken, dass ich irgendwie noch auf die Geschmacksexplosion warte. Meinst du, die kommt noch…?« Nein, das Gespräch könnte ganz schnell in die ganz falsche Richtung gehen. Mein Jungs-Instinkt sagt mir außerdem, dass ich jetzt einfach mal dieses Zimmer verlassen und in aller Ruhe ein Bier trinken sollte.
    In der Küche sitzt Tobi mit Fernsteuerung und Laptop.
    »Schau mal, Krach, der Bügeleisenmann geht schon auf dem Zahnfleisch.«
    »Ja, Momentchen.«
    Ich zapfe mir ein Bier und setze mich ausnahmsweise auf Francescos Platz, damit ich auf den Bildschirm gucken kann. Ich sehe den Stasi-Opa aus der Vogelperspektive. Er läuft wie ein Tiger um seinen Küchentisch herum und starrt einen Zahnputzbecher an, der dort steht und sich wahrscheinlich fragt, warum er auf einmal so angestarrt wird.
    »Hm, der Tischdeckservice im Hotel Wohlgemuth war wohl mal wieder sehr kreativ heute?«
    »Oh ja.«
    Tobi flüstert mir wieder ins Ohr.
    »Und außerdem hat unser Freund mit Roboterarm eine Minikamera am Deckenauslass der Küchenlampe befestigt.«
    »Wo sind denn die anderen?«
    »Gonzo unter der Dusche und Reto in seinem Zimmer und telefoniert die ganze Zeit.«
    »Gonzo unter der Dusche? Geht jetzt das warme Wasser doch wieder?«
    »Nein, er will so werden wie Reto.«
    »Wie? Er glaubt jetzt tatsächlich, dass Reto die Frauen anschleppt, weil er kalt duscht?«
    »Na ja, irgendwie müssen wir uns ja an das Madeleine-Phänomen annähern. Und wir haben entschieden, dass wir jetzt systematisch alles durchprobieren, was er anders macht als wir. Kalt duschen, gesund aussehen, Schweizer Akzent sprechen, teure Modezeitschriften lesen und so weiter. Was nicht wirkt, können wir von der Liste streichen.«
    »Aha. Sag mal, wie geht es Gonzo überhaupt? Ich meine wegen gestern und so?«
    »Weiß ich nicht genau. Aber, unter uns gesagt, ich glaube, dass er deswegen so schnell die Retomasche rausfinden will, weil er glaubt, dass er damit irgendwie Amelie… oh, er kommt.«
    »Ka… kaka… kakaka…«
    »Setz dich mal. Ich mach dir einen heißen Tee.«
    »Dada… Danke. Brrrrrrrrr.«
    Gonzos Zähne schlagen so laut aufeinander, dass sie wahrscheinlich sogar auf den Stasi-Opa-Tonbändern zu hören sind.
    »Und fühlst du schon was? Irgendwelche metaphysischen Verbindungen zu einer Madeleine aufgebaut?«
    »Kkkkkkkk…«
    »Jetzt lass ihn sich doch erst mal in Ruhe aufwärmen.«
    »Wahrscheinlich wirkt das mit dem Kaltduschen erst, wenn man so abgehärtet ist, dass man nicht mehr schlottert.«
    »Kkkkkkann sesesesein.«
    Der arme Kerl.
    »Sagt mal, heute Abend ist Probe, nicht

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