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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Moment. Augen geradeaus und ab… Ach, neuerdings muss man sich ja ein Klo aussuchen. Beide frei. Hm. Das ist jetzt eigentlich gar nicht wichtig. Bei öffentlichen Toiletten gibts doch auch immer mehrere, und ich hatte nie ein Problem, mich zu entscheiden. Also, ich nehme… die Neue. Klar. Die muss noch eingesessen und eingespült werden.
    Die anderen haben es irgendwie ganz gut kapiert, dass ich heute ernst mache mit dem Proben. Keiner lässt sich blicken, während ich über den Flur gehe. Ich verriegele die Tür.
    NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄT!
    Dafür bin ich nicht zuständig. Das hat nichts mit mir zu tun. Türen, Schritte, Stimmen, Hochdeutsch, Schweizerdeutsch, Männer, Frauen – es dringt zwar zu mir durch, aber es berührt mich nicht. Ich bin mit meinen Gedanken bei meiner Probe. Nun ja, besser gesagt bei meiner Probenpause. Wenn man Probenpause macht, ist es nämlich sehr wichtig, an etwas anderes zu denken als an das Lied. Da kann man alles nehmen. Philosophie, Literatur, Wissenschaften – nur eben nicht das, was gerade draußen auf dem Gang passiert. Das würde mich sofort aus der feinstofflichen Sphäre herausziehen, in der ich mich gerade befinde.
    Mein Blick bleibt am Klorollenhalter hängen. Da gibt es mal eine wirklich interessante Frage, die noch nie richtig geklärt wurde: Wie herum steckt man das Klopapier auf den Abroller? So, dass das Papierende in den Raum ragt, oder so, dass es an der Wand entlangläuft? Das ist nicht banal. Da stecken zwei gänzlich verschiedene Haltungen dahinter. Im ersten Fall sagt das Klopapier: »Nimm mich, benutz mich!«, im zweiten Fall dagegen mehr so »Ich halte mich im Hintergrund und bin da, wenn du mich brauchst«. Wie man es damit hält, ist eine Stilfrage. Muss man im Lauf der Zeit herauskriegen, was besser zu einem passt.
    Die Abwasserhebeanlage macht wieder komische Geräusche beim Abziehen. Solange die andere Hälfte der »Stecherakademie« noch im Zerkleinerer steckt, hat sie echt zu arbeiten. Aber irgendwann muss sich das Papier schließlich mal auflösen.
    Ich entriegle die Tür und trete in den Flur. Gonzo und Tobi stehen herum. So wie sie aussehen, brauche ich nicht lange zu raten, was passiert ist, während ich mich erleichtert habe.
    »Madeleine?«
    »Nein.«
    »Fiona?«
    »Nein.«
    »Wer denn?«
    »Tanja.«
    »Und davor Laetitia.«
    »Und davor Nathalie.«
    »Krach, du kannst dir nicht vorstellen, was hier in den letzten drei Stunden los war.«
    »Hier geben sich die Traumfrauen reihenweise die Klinke in die Hand.«
    »Und alle wollen zu Reto.«
    »Und alle kommen mit strahlenden Gesichtern wieder aus seinem Zimmer heraus.«
    »Der Typ ist mir unheimlich. Was macht der mit denen? Okay, er sieht gut aus, ist nett, aber hallo, das trifft doch auf jeden von uns zu… also zumindest so halbwegs, oder?«
    »Irgendwas ist an ihm dran, was uns entgangen ist.«
    »Oder der verpasst ihnen einfach nur eine Spezialdroge, die gefügig macht?«
    »Oder Duftstoffe, die Frauen anziehen? Ich hab da mal so was gelesen…«
    »Tja, Jungs, das ist echt ein interessantes Thema, aber, tut mir leid, ich muss weiterproben.«
    Die beiden nehmen kaum zur Kenntnis, dass ich wieder verschwinde. Okay, mir fällt das natürlich leicht, weil ich ja weiß, dass Retos Erfolgsgeheimnis »Stecherakademie« heißt und dass es unter meiner Matratze auf mich wartet.
    Diesmal schließe ich nicht hinter mir ab. Das wirkt vielleicht doch ein wenig neurotisch. Einfach Tür zu tut es auch. Ich klemme mich wieder hinter das Lied.
     
    *
     
    Es läuft. Nur die Stolperer im Text. Wenn ich die noch wegkriegen würde, wäre ich ruhiger. Ist halt doch ein etwas komplexerer Satzbau als bei »Warten auf Godot«.
    »Es geht ladidadidam ladidadidam ladidadi und dam
    Ladidadidam ladidadidam fangen wir gleich nochma…
    UAAAAAH! Mann! Hast du mich erschreckt…«
    »Jauuuuuuuuul!«
    »Hallo, Krach.«
    Ist das peinlich.
    »Also, ich finde, ich mein ja nur, also, du hättest schon mal anklopfen können, Amelie.«
    »Hab ich ja.«
    »Oh, ach so?«
    »Du hast mich nicht gehört.«
    »Hm, und wie lange bist du denn schon hier drin?«
    »Seit drei Strophen.«
    Weia.
    »Setz dich doch, wie gehts dir? Also ich meine, wegen gestern und so…«
    »Ich möchte da jetzt nicht drüber reden, Krach.«
    »Okay.«
    Keine Frage, unsere Freundschaft ist seit vorgestern eine andere. Da wird nicht mehr sinnlos gelächelt. Dafür kennen wir uns jetzt zu gut. Aber Amelie lächelt nicht nur nicht, sie guckt wie ein

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