Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
Vom Netzwerk:
Rausch vergangener Jahre aufleben ließen.
    Meist erwischten die Polizisten die viel zitierten kleinen Fische. Studenten mit fünfzehn, manchmal fünfzig Gramm Haschisch. Kleindealer mit gestrecktem Heroin in miserabler Qualität. Aber hin und wieder machten sie auch einen großen Fang.
    Lydia mimte also die viel beschäftigte, arrogante Geschäftszicke, die erster Klasse reiste. In den vergangenen Wochen hatten die Beamten des Bundesgrenzschutzes nicht einmal ihren Ausweis sehen wollen. Doch heute, kurz vor der nur noch virtuell existierenden deutsch-holländischen Grenze, bauten sich zwei Beamte in Zivil vor ihr auf.
    »Guten Morgen, Ihren Ausweis bitte«, sagte einer der Beamten. Sein Ton war fordernd, wenig verbindlich, fast schon unhöflich.
    Lydia blickte gelangweilt von der Vogue auf.
    »Was gibt es denn?«, fragte sie mit einem Blick, der Blitze auszusenden schien. Sie musterte die beiden Männer. Die etwa fünfzigjährigen Polizisten waren so betont zivil, dass jeder, der ein bisschen Gespür für Menschen hatte, sie auf hundert Meter Entfernung als solche identifizieren konnte.
    »Wir machen eine Stichprobenkontrolle. Ihren Ausweis!«, sagte der Beamte mit einer deutlichen Verschärfung seines Tonfalls.
    »Erlauben Sie, dass ich mich zunächst einmal von Ihrer Befugnis überzeuge? Da könnte ja jeder kommen.«
    Frechheit siegt. Eine der Grundregeln beim Schmuggeln.
    Genervt hielten die Männer Lydia ihre Dienstausweise unter die Nase. Sie nahm die Dokumente zur Hand und las sie umständlich und provozierend lange. Dann gab sie die Ausweise zurück, nestelte an ihrer Handtasche und holte ihren Ausweis hervor.
    »Bitte, wenn es denn der Verbrechensbekämpfung dient«, sagte sie schnippisch und las wieder in der Vogue.
    »Was haben Sie in Amsterdam gemacht?«, wollte der zweite Polizist wissen.
    »Geht Sie das was an?«
    »Allerdings«, fauchte der erste. »Also: Was tun Sie in Amsterdam?«
    Lydia reichte den Männern je eine Visitenkarte.
    »Wir betreiben eine ganze Reihe von Gaststätten. Eine davon in Amsterdam. Meine Aufgabe ist die betriebswirtschaftliche Kontrolle. Das führt mich regelmäßig dorthin.«
    »Was sind das für Läden?«, fragten beide fast unisono.
    »Jedenfalls keine, in denen wir Drogen dulden würden«, antwortete Lydia. »Danach suchen Sie doch wohl. In Amsterdam zum Beispiel verdienen wir unser Geld damit, dass die Touristen gerne acht Euro für ein Bier zahlen, wenn es von einer barbusigen jungen Frau mit dicken Möpsen serviert wird. So wie Sie aussehen, würde Ihnen der Laden gut gefallen.«
    »Werden Sie mal nicht unverschämt.«
    »Wer hat denn mit den Unverschämtheiten angefangen?«
    »Ist das Ihre Reisetasche?«, fragte der zweite Beamte und deutete auf die obere Gepäckablage. Lydia nickte.
    »Würden Sie sie bitte herunterholen?«
    »Hören Sie«, fauchte Lydia, die immer mehr in Rage geriet. »Davon abgesehen, dass es sich gehört, dass ein Mann der Frau diese Arbeit abnimmt: Sie wollen die Tasche doch durchsuchen, und nicht ich. Wenn ich Sie nicht daran hindern kann, mein Gepäck zu durchwühlen, bitteschön. Aber erwarten Sie nicht, dass ich es auch noch für Sie da herunterwuchte.«
    Mit versteinertem Gesicht hob der Beamte die Tasche aus der Gepäckablage, stellte sie auf den leeren Sitz neben Lydia und begann, sich durch Hemdchen, Höschen und Blüschen zu arbeiten. Lydia verfolgte die Szene sichtlich amüsiert. Scheiß-Bullen mit einfach einem Scheiß-Job. Wie bei meinem Vater, dachte sie.
    »In der Plastiktüte finden Sie meine gebrauchten Slips. Vielleicht interessieren Sie sich dafür besonders.«
    Blicke, die töten könnten, trafen sie.
    Mit einer hektischen Bewegung zerrte der Mann am Reißverschluss, verschloss die Tasche wieder und wuchtete sie zurück an ihren ursprünglichen Ort. Als er beide Hände oben hatte und auf Zehenspitzen stand, fuhr der Zug mit hoher Geschwindigkeit in eine Kurve. Der Mann kam ins Wanken und schaffte es gerade noch, die Tasche am Herunterfallen zu hindern, verlor dann aber das Gleichgewicht und landete mit seinem Ellenbogen in Lydias Magenbereich. Sie stöhnte auf.
    »Jetzt habe ich aber genug«, fauchte sie.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte der Mann peinlich berührt. »Ich konnte ja nichts dafür.«
    »Verschwinden Sie endlich.«
    Wie zwei Gendarmen zur Zeit Kaiser Wilhelms salutierten die Männer vor ihr.
    »Eine angenehme Reise noch, Frau Franke. Nichts für ungut.«
    Schnellen Schrittes verließen die Männer den

Weitere Kostenlose Bücher