Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
Vom Netzwerk:
nackt, auf zwei kahlen Holzstühlen mit Lehnen sitzend? Dicke Kabelbinder fesselten ihre Gliedmaßen an den Stuhl. Sie bohrten sich in das Fleisch ihrer Gelenke.
    Überall an ihren Körpern waren mit Tape Kupferkontakte befestigt. Die Kabel führten zu einem grauen Kasten. Der Kasten, etwa so groß wie ein Schuhkarton, war an ein Notstromaggregat angeschlossen, das bereits lief. Die Auspuffgase des kleinen Benzinmotors wurden durch einen Schlauch ins Freie geführt. Der Mann hatte sich alle Mühe gegeben.
    Um die Hand- und Fußgelenkte sowie um den Brustkorb hatte er mit Isolierband Dynamitstangen geklebt. Um ihre Brustkörbe waren es mindestens zehn. Die Zünder waren mit dem zweiten grauen Kasten auf dem Tisch vor ihnen verbunden.
    »Hilfe!«, brüllten sie. »So helft uns doch!«
    »Ihr seid wach. Das freut mich«, erschreckte sie eine männliche Stimme in ihrem Rücken.
    Er trat mit einem Holzstuhl in der Hand in ihr Blickfeld, stellte ihn vor sie hin und nahm darauf Platz. »Seht ihr diesen Wecker?«, fragte er und deutete auf den Tisch, auf dem sich auch die beiden grauen Kästen befanden.
    Der Mann und die Frau sagten nichts. Auf einmal durchzuckte es sie. Stromstöße liefen durch die an ihrem Körper befestigten Elektroden. Der Mann schrie am lautesten. Eine Elektrode war an seinen Genitalien befestigt.
    Sie saßen einem Menschen gegenüber, der sichtlich vergnügt mit einem Druckschalter spielte. Er lachte laut, als er die beiden sich vor Schmerzen windenden Körper sah.
    »Seht ihr nun den Wecker?«
    Sie nickten.
    »Es ist jetzt fast zweiundzwanzig Uhr. Ich bin gnädig zu euch. Ich gebe euch noch zwei Stunden zu leben. In diesen zwei Stunden sollt ihr jedoch das tun, was jeder Mensch, der schwere Schuld auf sich geladen hat, tun muss: Ihr sollt bereuen ! Damit ihr es nicht vergesst, habe ich euch ein Schild gemalt.«
    Er stellte ein etwa DIN-A3-großes Sperrholzschild neben den Wecker. Die linke Apparatur wurde durch das Schild verdeckt.
    »Was steht auf dem Schild?«, fragte er.
    Schweigen.
    Wieder begann er das Spiel mit dem Druckschalter. Wieder durchzuckten und quälten sie unzählige Stromschläge. Bei der Frau setzten in den Waden Muskelkrämpfe ein.
    Endlich hörte er auf.
    »Was steht nun auf dem Schild?«
    »Bereue«, flüsterte die Frau.
    Der Mann sagte nichts. Wieder Stromstöße.
    »Bereue«, stöhnte dann auch er leise.
    »Genau. Das werdet ihr jetzt gleich zwei Stunden lang tun. Ihr werdet bereuen, was ihr eurer Tochter angetan habt. Dass ihr sie wie ein Stück Vieh über Jahre eingepfercht habt. Dass ihr sie verhungern lassen habt. Dass der Lichtschalter in ihrem Zimmer so manipuliert war, dass sie sich einen tödlichen Stromschlag hätte holen können. Dieser barbarische Gedanke hat mich im Übrigen zu dieser Apparatur inspiriert. Genial, nicht wahr?«
    Dann begann er wieder, diesmal rhythmisch, den Druckschalter zu betätigen.
    Die Frau bekam einen hysterischen Anfall. Sie schrie und brüllte. Sie versuchte mit aller Gewalt, sich zu befreien.
    Mit stoischem Gleichmut wartete er ab, bis sie sich wieder gefangen hatte.
    »Reue ohne Strafe ist aber nichts wert. Wenn ich euch gleich verlasse, werde ich dieses Gerät hier auf Automatik schalten. Darin befindet sich das simple Blinkerrelais eines Autos. Ihr werdet Stromstöße erhalten. Eine Stunde lang. Aber seid unbesorgt. Sie werden euch nicht töten. Sie werden euch nur quälen. Das habt ihr doch verdient, oder?«
    Schweigen.
    Wieder erlitten sie unsägliche Qualen. Es war nur für Sekunden. Sie erlebten die Zeit als Stunden.
    »Habt ihr diese Strafe verdient?«
    »Ja, wir haben sie verdient«, stöhnten die beiden.
    Er grinste zufrieden. »Die Einsicht kommt, wenn auch spät, aber sie kommt. Das ganze dauert eine Stunde«, fuhr er fort. »Nach dieser Stunde habt ihr immer noch eine weitere Stunde zu leben. Bin ich nicht großzügig?«
    Die beiden nickten schnell. Nur keine Stromstöße mehr.
    »Während dieser weiteren Stunde werdet ihr dann langsam und qualvoll sterben. Es geht leider bei euch viel schneller als bei eurem Kind. Aber doch langsam genug, dass es euch wie eine Ewigkeit vorkommen wird. Zuerst wird eure rechte Hand zerfetzt. Keine Angst. Das ist nicht tödlich. Ihr werdet nur Schmerzen haben. Ihr werdet brüllen vor Schmerz.«
    Er genoss die bleichen, angsterfüllten Gesichter, die ihn anflehten. Er genoss, dass sie bereits jetzt litten. Sie sollten leiden. So wie sie ihre kleine Tochter hatten leiden lassen. Ungerührt und mit

Weitere Kostenlose Bücher