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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Scheiße«, sagte er, als er neben Wiebke stand und auf die im Raum verteilten Leichenteile starrte.
    Wiebke nickte. »Guten oder besser schlechten Abend, Herbert«, sagte sie und gab ihm die Hand. Dann senkte sie die Stimme, sodass die Reporter, die sich in Verbalscharmützeln mit den Polizeibeamten aufrieben, nichts mitbekamen. »Weißt du, was auf dem Schild da steht?«
    »Sicher«, sagte er achselzuckend. »Zielkow hat es mir gesagt. ›Bereue‹. Wo ist Wolfgang?«
    »Dem ging es nicht gut.«
    »Schwerer Fall von akutem Alkoholabusus, vermute ich.«
    »Genau.«
    »Hoffentlich kommt er bald wieder auf die Beine.«
    »Thomas arbeitet daran. Aber er wird kaum Erfolg haben, wenn sie ihm diesen Fall auch noch anhängen.«
    »Meinst du, das kann passieren?«
    »Schau dir doch die hungrige Meute an«, raunte sie und deutete auf die Heerschar der sensationslüsternen Reporter. »Denen wäre doch nichts lieber als das!«
    »Das werden sie nicht wagen«, sagte Streicher wenig überzeugend, zog sich seine Schutzkleidung an und begann mit der Arbeit.
    Wiebke ging schweigend durch die Reportermassen. Jeder wollte ein Interview. Niemand bekam eines. Sie fuhr nach Hause. Sie war einfach fertig.

2
     
    »Entschuldige, dass ich dich damit nerven muss«, sagte Wiebke und genoss ihren Cappuccino. »Aber Wolfgang ist noch immer hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Außerdem versucht er gerade, dem Inhaber der Spedition den Tod der zwanzig Nigerianer am Brenner anzuhängen.«
    »Die in dem Lkw erfroren sind?«, fragte Günter, der von dem Fall gehört hatte. »Was habt ihr denn damit zu tun? Soweit ich weiß, sind die doch am Brenner gefunden worden. Also eher was für die Italiener.«
    »Österreich«, sagte Wiebke. »Es war schon auf der österreichischen Seite.«
    »Von mir aus dann eben die Ösis. Aber sicher doch kein Fall für die überlasteten Beamten der Rostocker Kripo.«
    »Die haben um Amtshilfe ersucht«, erläuterte Wiebke. »Und Wolfgang hat sich um den Job geradezu gerissen.«
    »Ich denke, er arbeitet kaum noch.«
    »Das stimmt leider. Aber wenn er was macht, dann als Rächer der Witwen, Waisen und Enterbten«, sagte sie sarkastisch. »Aber jetzt zu meinem Fall. Du weißt, dass wir letztes Jahr gegen ein Ehepaar ermittelt haben, das seine Tochter zu Tode gequält hatte.«
    »Du weißt, wo ich arbeite?«, fragte er lächelnd.
    »Entschuldigung. Du bist natürlich bestens informiert. Wir haben die beiden vor ein paar Tagen grausam zerstückelt in einer verlassenen LPG-Stallung in der Nähe von Schwerin gefunden.«
    »Auch das wurde bereits als Gerücht in der Justizkantine kolportiert«, provozierte Günter sie weiter.
    »Nerv jetzt nicht! Das war kein einfacher Mord, das war grausame Rache.«
    »Von einem ziemlich Verrückten. Schon die Bilder in der Zeitung waren brutal, und die schrecklichsten werden sie wohl aussortiert haben.«
    »Soll ich Ihnen die Bilder zeigen, die nicht gedruckt wurden, Herr Oberstaatsanwalt?«, fragte nunmehr Wiebke in einem Anflug von Ironie.
    »Danke, verzichte.«
    »Da war wieder dieses Schild: ›BEREUE‹. Die gleiche qualvolle Vorgehensweise. Alles wie bei Hansen. Meine schöne Theorie vom Mord in der Drogenszene mit dem verschwundenen Lüerßen als Täter ist damit beim Teufel.«
    »Ein Trittbrettfahrer vielleicht?«, mutmaßte Günter und steckte sich eine Zigarette an.
    »Unwahrscheinlich. Die Details kennt niemand.«
    »Niemand außer euch.«
    »Jetzt fang du nicht auch noch an«, rief sie auf einmal schrill.
    Günter blickte sie erstaunt an. »Womit soll ich nicht auch noch anfangen?«
    »Wolfgang zu verdächtigen«, sagte sie.
    »Tue ich doch gar nicht. Aber wer verdächtigt ihn denn sonst noch?«
    »Zielkow traut sich zwar nicht, Wolfgang schon wieder zu suspendieren. Aber er schaut ihn scheel von der Seite an.«
    »Ich weiß gar nicht, was du willst«, meinte Günter. »Wolfgang kann nicht der Täter sein. Dazu sind selbst bei böswilliger Interpretation die Indizien zu dünn.«
    »Ihr Juristen macht es euch einfach«, erwiderte Wiebke. »Wir ermitteln den Fall, und wenn irgendwelche Zweifel bleiben, dann eben in dubio pro reo .«
    »Seit wann benutzt du denn Latein?«, fragte Günter.
    »Seit ich einen schlechten Umgang mit Leuten wie dir pflege. Aber lass mich mal zu Ende reden. Bei uns ist es umgekehrt. Im Grunde ist jeder verdächtig, bis ich das Gegenteil bewiesen habe.«
    »Also auch Wolfgang.«
    »Ja, auch Wolfgang. Und dass er psychisch auf dem Rachetrip ist,

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