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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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wenn niemand ihn bemerkt. Und ein Unfall ist schließlich schnell passiert.
     
    Warum muss ich plötzlich wieder an damals denken - ausgerechnet hier, bei strahlend schönem Wetter auf einer Gartenparty, die ich genieße? Vielleicht, weil Nadines Eltern unverhofft gekommen sind. Wenn ich sie sehe, muss ich unwillkürlich daran denken, wie es hätte sein können. Nadine hat ausgesprochen nette Eltern, sie sind freundlich, offen und tolerant. Auch in dieser Hinsicht ist sie zu beneiden.
    Versonnen beobachte ich, wie sie mit ihren Gästen plaudert, von einem zum anderen geht, jeden Neuankömmling herzlich begrüßt.

     
    Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als plötzlich jemand neben mir steht.
    Joella nickt zum Büfett hin. »Sieht lecker aus, nicht wahr? Was das wohl ist?« Sie deutet auf eine Platte mit Häppchen.
    »Hähnchenrouladen mit einer Füllung aus Ricotta und Salbei.« Nadine hat es mir vorhin verraten.
    »Hört sich gut an. Davon probiere ich gleich mal. Das muss eine Menge Arbeit gemacht haben. Kochst du eigentlich gern?«
    »Ja, aber ich habe nur selten Zeit dafür. Du kennst das ja: Man kommt spät nach Hause, ist müde und hat keine Lust, für sich allein zu kochen.«
    Sie nickt. »Wenn ich allein bin, schiebe ich auch rasch ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Ist Ron da, kochen wir meist zusammen. Der eine schält Kartoffeln, der andere putzt Gemüse - zu zweit macht Kochen richtig Spaß.« Sie lässt den Blick über die plaudernden Gäste gleiten, die mit Plastiktellern in der Hand in kleinen Gruppen beisammenstehen.
    Dann sieht sie mich unverwandt an, als wäre ihr plötzlich etwas eingefallen. »Sag mal, kanntest du eigentlich Melissa Martens?«
    Ein lähmender Schreck durchzuckt mich, aber es gelingt mir, keine Miene zu verziehen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich sie an: »Wieso fragst du?«
    »Ich hab dich an dem Abend, an dem sie umgebracht wurde, im ›Oloroso‹ mit ihr reden sehen.«

    Mein Magen krampft sich zusammen, mir bricht der kalte Schweiß aus.
    »Daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
    »Ich schon«, sagt Joella. »Du hast mich nicht gesehen, weil ich in einer Nische saß, aber ich habe dich gesehen. Du hast dich an der Theke mit Melissa unterhalten.«
    Um Zeit zu gewinnen, nehme ich ein Stück Baguette, beiße ab und kaue langsam.
    »Kann gut sein. Ich bin öfter im ›Oloroso‹. Aber bestimmt hat sie dort auch noch mit anderen geredet.«
    »Ja, später saß sie mit einem dunkelhaarigen Typen am anderen Ende der Theke. Aber dass du dich nicht mehr daran erinnerst? Sie ist doch am gleichen Abend umgebracht worden!«
    »Offen gestanden will ich mich nicht mehr daran erinnern. Ich kannte Melissa nur flüchtig, aber als ich dann die Zeitungsmeldung las, war ich total erschrocken. Man denkt unwillkürlich, ach, hätte ich doch …«
    »Hätte ich was?«
    »Hätte ich sie nur nicht in diesem Zustand allein nach Hause gehen lassen. Sie war ziemlich beschwipst. Ich selbst hatte nur ein Bier getrunken und hätte sie ohne Weiteres nach Hause fahren können.«
    »Ich kann verstehen, dass dich das beschäftigt«, sagt Joella. »Aber du konntest ja nicht ahnen, was passiert. Hast du es denn der Polizei gesagt?«
    »Was?«

    »Dass du mit Melissa geredet hast.«
    »Warum sollte ich? Sie hat sich danach ja noch mit anderen unterhalten. Und wie gesagt, ich kannte sie kaum.«
    Mit einem Mal wirkt Joella abwesend. Sie winkt einem Bekannten zu, sagt »Moment mal eben …« und geht.
    Nachdenklich sehe ich ihr nach. Verdammt, warum musste sie ausgerechnet an jenem Abend in der Kneipe sein?
    Aus den Augenwinkeln registriere ich die Videokamera und bemühe mich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
    Marielle kommt näher.
    »Filmst du mich schon lange?«
    »Nö, eben erst angefangen.«
    Meine Augen suchen Joella. Da drüben steht sie, den Blick auf mich gerichtet. Als sie merkt, dass ich sie ansehe, wendet sie sich schnell ab.

21
    Am späten Abend, als viele Gäste schon angesäuselt sind und der Lärmpegel steigt, entschließen sich Nadines Eltern zum Aufbruch. In der Küche, wo ihre Tochter gerade eine Flasche Wein öffnet, verabschieden sie sich.
    »Wir gehen dann mal«, sagt Cor. »Der Tag war lang und anstrengend. Ich bin fix und fertig, kann schon fast nicht mehr geradeaus gucken.«
    »Er sieht schon alles doppelt«, scherzt Nadines Mutter und wirft einen vielsagenden Blick zur Terrasse.
    Nadine geht nicht auf die dezente Kritik ein, sondern umarmt ihre Eltern. »Schön, dass ihr

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