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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Wandschrank, als sie ein Telefonat von Marielle mitbekommt.
    »Mir lässt das keine Ruhe«, sagt sie. »Irgendwas stimmt da nicht.«
    Geht es womöglich um Ruben? Nadine spitzt die Ohren.
    »Ich könnte ja nachher mal vorbeifahren«, sagt Marielle. »Und sehen, ob jemand zu Hause ist.«
    Eine Viertelstunde später, als Nadine gerade Zwiebeln für die Tortilla schneidet, kommt Marielle in die Küche.
    »Mam, ich geh noch mal kurz weg.«
    »Wohin?«
    »Nichts Besonderes.«
    »Doch nicht etwa zu Ruben?«
    »Wo denkst du hin?«, sagt Marielle entrüstet.
    »Dann ist ja gut.« Sie beginnt, das Gemüse zu würfeln. »Bleib nicht zu lange weg, in einer Stunde essen wir.«
    Marielle zieht die Jacke an und geht. Nachdenklich sieht Nadine ihr nach. Hätte sie Marielle doch nicht gehen lassen dürfen?

    Meine Mutter fehlt mir noch heute, jeden Tag. Nicht immer ist Hass im Spiel, wenn man jemanden umbringt. Auch Liebe kann der Grund sein.
    Beides macht einen abhängig, kann einen sogar regelrecht zerstören.

    Immer öfter zweifle ich, ob das Leben überhaupt einen Sinn hat. Schon morgens beim Aufwachen empfinde ich eine riesige Leere. Erst wenn ich aufgestanden bin und mich dem Alltag stelle, wird es ein wenig besser.
    Ablenkung finde ich in meinem Beruf, weil ich mich darin bis zu einem gewissen Grad selbst verwirklichen kann. Dennoch leide ich phasenweise immer wieder an Depressionen. Hätte ich jemanden, der mich aufrichtig liebt, wäre das Leben nicht so bedeutungslos.
    Ich gönne es Nadine von Herzen, dass sie nun mit ihrem Buch Erfolg hat, bin sogar stolz auf sie. Aber das Ganze beunruhigt mich auch. Wird sie, wenn sie sich demnächst in ganz anderen Kreisen bewegt, überhaupt noch Zeit für mich haben? Dass Eelco ausgeschaltet ist, hat bisher kaum etwas bewirkt. Aber vielleicht kommt das noch. Sie trauert ihm nach, aber auch das wird vorbeigehen. Wie alles irgendwann vorbeigeht.
     
    Am frühen Sonntagabend liege ich auf dem Sofa vor dem Fernseher, als ich Marielle sehe. Sie steigt vom Rad und kommt den Gartenweg entlang.
    Ich springe auf und mache rasch den Fernseher aus.
    Es klingelt. Unschlüssig bleibe ich stehen. Ich habe zwei Möglichkeiten: Entweder ich mache die Tür auf oder ich tue, als wäre ich nicht da - was sie dann wohl macht?

    Gespannt warte ich.
    Nachdem Marielle noch zweimal geläutet hat, gibt sie auf.
    Ich schleiche in den Flur. Die Hautür ist ganz aus Holz, hat keine Glasscheibe, also kann sie mich nicht sehen. Ich sie auch nicht, aber ich spähe durch den Briefschlitz und beobachte, wie sie den Gartenweg zurück und dann nach links geht. Sie will es wohl an der Hintertür versuchen.
    Da diese nicht abgeschlossen ist, kann sie ins Haus. Ich überlege fieberhaft, was ich machen soll, und beschließe, es darauf ankommen zu lassen. Alles Weitere wird sich finden.
    Rasch verstecke ich mich im Flurschrank. Gleich darauf geht die Küchentür, und Marielle ruft meinen Namen.
    Mit angehaltenem Atem warte ich. Wird sie weitergehen?
    Ja, ich höre Schritte. Wieder ruft sie nach mir, ihre Stimme klingt ein wenig unsicher.
    Sie kommt in den Flur und ruft unten an der Treppe erneut. Dass die Antwort ausbleibt, scheint ihr gelegen zu kommen.
    Sie beginnt, im Wohnzimmer herumzuschnüffeln, ich höre, wie sie Schubladen aufzieht. Zu meiner Verwunderung ärgert mich das keineswegs, es amüsiert mich sogar. Sie traut sich was, das muss man ihr lassen! Was sie wohl sagen würde, wenn ich nun unverhofft auftauchte? Mit Sicherheit hätte sie eine Ausrede parat, aber mich interessiert viel mehr, was
sie im Schilde führt. Obwohl ich es im Grunde genau weiß: Sie sucht ihre Videokamera.
    Die wird sie allerdings nicht finden, weil ich sie längst entsorgt habe. Trotzdem bin ich leicht nervös. Soll ich eingreifen? Für ihr unverschämtes Eindringen hätte sie eine Lektion verdient … aber nicht hier und jetzt.
    Nachdem sie im Wohnzimmer nicht fündig wurde, geht sie die Treppe hinauf.
    Sie bleibt nicht lange oben, weil das, was sie sucht, auch nicht dort ist. Dafür weiß ich jetzt, woran ich bin.

34
    Sie wollte nur kurz weggehen, aber inzwischen ist es schon sieben, und Marielle ist immer noch nicht da.
    Ab und zu geht Nadines Blick zum Fenster, doch sie sieht nur ihr eigenes Spiegelbild in der dunklen Scheibe.
    Lustlos stochert sie in der Portion Tortilla auf ihrem Teller herum.
    Wo steckt Marielle nur? Sie hätte ihr verbieten müssen, noch einmal aus dem Haus zu gehen. Und dass sie immer nur die Mailbox erreicht,

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