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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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hier lange aus. Die Vergangenheit lag wie ein langer, dunkler Schatten über dem Haus.
    Robert lauschte in sich hinein. Aber da war nichts außer Müdigkeit – und Hunger. Das meinte ich nicht. Nein, keine Angst. Keine Trauer. Die Zeit heilt alle Wunden. »Ich glaube, es ist vorbei.«
    »Du glaubst?«
    »Mehr noch.« Er holte tief Luft. »Es ist vorbei.«
    Max schaute ihn aufmerksam an. »Das freut mich.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es mir genauso geht.«
    Sein Bruder schnaufte verächtlich. »Willst du jetzt etwa trauern, weil du nicht mehr trauern kannst?«
    Robert schwieg.
    »Unsere Eltern würden das nicht wollen.« Max zog die Hände aus der Jackentasche, breitete die Arme aus. »Sie würden wollen, dass du endlich wieder lebst.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.«
    »Ich habe immer recht.« Jetzt lächelte Max tatsächlich. »Weil ich dein großer Bruder bin.«
    Bei diesen Worten überkam Robert das schlechte Gewissen. Vier Jahre waren wirklich eine lange Zeit. Und er war einfach abgehauen. Er setzte zu einer Entschuldigung an.
    Sein Bruder winkte ab, als wüsste er um Roberts Gedanken. »Wo wohnst du?«, fragte er.
    »Im Maritim . An der Friedrichstraße.«
    »Du willst nicht bleiben?«
    »Doch, ich wollte mich morgen um die Wohnung kümmern.«
    »Wirst du wieder in deinem alten Job arbeiten?«
    »Nicht sofort. Aber«, Roberts Magen knurrte, »demnächst wieder, ja.«
    »Sehr gut«, fand Max, und seine Miene hellte sich auf. Er ging zum Ausgang, drehte sich aber noch einmal um, bevor er in den verwilderten Garten hinaustrat.
    »Robert!«, rief er und streckte die Handfläche zum Gruß. »Schön, dass du wieder hier bist.«

13
    »Gegensätze ziehen sich an«, sagte Gesing.
    Sera schaute von dem Foto auf, das die Türkin Adile mit ihrem deutschen Freund Sebastian zeigte. »Wen meinst du damit?«
    »Uns natürlich!«, maulte Gesing und schaltete den Scheibenwischer auf die niedrigste Stufe. Der Regen hatte nachgelassen. »Nein, die Gegend hier. In Buckow stehen sie quasi Haus an Haus.«
    »Selbstverständlich stehen Häuser Haus an Haus.«
    »Nein, ich meine die Gegensätze.«
    »Verstehe.«
    »Wirklich?«
    Gesing japste, als Sera ihm einen Klaps auf den Oberarm gab.
    Gerade eben waren sie noch über die Buschkrugallee gefahren, eine breite Ausfallstraße, die auf beiden Seiten von kastenförmigen Mietskasernen und Sozialbauten mit aschfahlen Fassaden flankiert wurde. Jetzt, nur eine Nebenstraße weiter, glitt der Wagen vorbei an hübschen, kleinen Einfamilienhäusern.
    Gesing hielt nach einigen Metern im Schirmvogelweg. »Wusste gar nicht, dass hier so viele Türken wohnen.«
    »Ja, kaum zu fassen, nicht? Wir leben nicht alle am Kottbusser Tor!«
    Buckow gehörte seit Jahren zu den Bezirken Berlins, in denen sich bevorzugt wohlhabende Türken mit ihren Familien niederließen. Die nassen Dächer ihrer teuren Autos, die am Straßenrand parkten, reflektierten die Laternenlichter.
    Sera stieg aus dem Wagen, blickte sich um und überquerte die Straße.
    »Wohin willst du?«, rief Gesing.
    Sie steuerte einen rostigen Honda Civic an, dessen Scheiben von innen beschlagen waren, klopfte an die Fahrertür und drückte ihren Dienstausweis gegen das Fenster. Langsam glitt das Glas hinunter. Zwei grimmig dreinblickende Männer hockten auf den Vordersitzen. Die Atmosphäre war merklich angespannt.
    Sera fixierte den Fahrer. »Sebastian?«
    »Woher wissen Sie …?«
    Sie hielt das Bild aus der Wohnung seiner Schwester hoch. »Sie haben doch hoffentlich keine Dummheiten vor, oder?«
    Er wich ihrem Blick aus.
    »Fahren Sie ins Krankenhaus. Adile braucht Sie. Mehr denn je.«
    Er rührte sich nicht.
    »Fahren Sie schon!«
    Er schaute auf. »Sie schnappen diesen Mistkerl doch, oder?«
    »Natürlich werden wir das.«
    Widerwillig startete er den Honda, und Sera wartete, bis dessen rote Rücklichter in der Rudower Straße verschwunden waren.
    Gesing baute sich säuerlich neben ihr auf. »Würdest du mich beim nächsten Mal bitte darüber informieren, was du vorhast? Sonst ist es nämlich ein bisschen schwierig, dir zur Seite zu stehen.«
    »Wieso? Da stehst du doch?«
    Er wollte protestieren, beließ es dann aber bei einem schicksalsergebenen Seufzen. »Wir sollten Sebastian Fischer trotzdem im Auge behalten.«
    »Ja, du hast recht. Ruf bitte David an. Er soll dem Kollegen im Krankenhaus Bescheid geben, der zum Schutz von Adile abgestellt worden ist. Wenn ihr Freund in einer Stunde nicht bei ihnen aufgetaucht ist, sollen sie

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