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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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immer noch nicht gemeldet. Können wir Sie unter der Nummer erreichen, von der Sie jetzt anrufen?«
    »Ja, ich meine, ich weiß nicht. Ich versuche es später noch mal.«
    Abby legte auf. Ihr waren die Münzen und damit die Telefonate ausgegangen.
    Sie drehte sich um und blickte nach draußen, wo Zeitungsfetzen vorbeiflogen. Sie wollte nicht wieder hinaus in den Sturm, doch sie wußte nicht, was sie sonst tun sollte.
    Es gab nur noch einen Menschen, den sie anrufen konnte.
    Das Telefonbuch war halb zerrissen. Mutlos blätterte sie trotzdem durch die weißen Seiten. Sie war überrascht, den Eintrag tatsächlich zu finden:
I. Tarasoff.
    Ihre Hände zitterten, als sie das R-Gespräch anmeldete. Bitte reden Sie mit mir. Bitte nehmen Sie meinen Anruf an.
    Es klingelte viermal, bis sie sein sanftes »Hallo?« hörte. Sie hörte das Geklapper von Porzellan, offenbar wurde gerade der Abendbrottisch gedeckt, im Hintergrund lief leise klassische Musik. Dann: »Ja, ich übernehme die Gebühren.«
    Sie war so erleichtert, daß die Worte förmlich aus ihr heraussprudelten. »Ich wußte nicht, wen ich sonst anrufen sollte! Vivian kann ich nicht erreichen, und sonst hört mir keiner zu. Sie müssen zur Polizei gehen. Sie müssen sie zwingen zuzuhören.«
    »Nun mal ganz langsam, Abby. Erzählen Sie mir, was los ist.«
    Sie atmete tief ein und spürte, wie ihr Herz sich pochend danach sehnte, die Last mit jemandem zu teilen. »Nina Voss bekommt heute nacht ihre zweite Transplantation«, berichtete sie. »Dr. Tarasoff, ich glaube, ich weiß, wie es funktioniert. Sie fliegen die Herzen nicht von irgendwoher ein. Die Entnahmen finden gleich hier statt, in Boston.«
    »Wo? In welchem Krankenhaus?«
    Sie wurde von einem Wagen abgelenkt, der langsam die Straße hinunterkam. Sie hielt den Atem an, bis er um die nächste Ecke verschwunden war.
    »Abby?«
    »Ja, ich bin noch da.«
    »Hören Sie, Abby, wenn ich Mr. Parr richtig verstanden habe, standen Sie in letzter Zeit unter großem Stress. Könnte es nicht sein, daß –«
    »Hören Sie mir zu. Bitte hören Sie mir zu!« Sie schloß die Augen und zwang sich, ruhig zu bleiben und vernünftig zu klingen. Er durfte keine Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit haben. »Vivian hat mich heute aus Burlington angerufen. Sie hat herausgefunden, daß dort überhaupt keine Entnahmen stattgefunden haben. Die Organe kommen nicht aus Vermont.«
    »Wo finden die Entnahmen denn dann statt?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich vermute, in einem Gebäude in Roxbury. Amity Medizinbedarf. Die Polizei muß vor Mitternacht dort sein, bevor die Entnahme stattfinden kann.«
    »Ich weiß nicht, ob ich sie davon überzeugen kann.«
    »Sie müssen! Es gibt beim Morddezernat einen Detective Katzka. Ich glaube, er wird uns zuhören. Es geht nicht bloß um die illegale Vermittlung von Spenderorganen. Sie produzieren Spender! Sie töten Menschen!«
    Im Hintergrund hörte Abby eine Frau rufen: »Ivan, kommst du? Dein Essen wird ganz kalt.«
    »Ich fürchte, ich muß heute abend darauf verzichten, meine Liebe«, antwortete Tarasoff. »Es ist ein Notfall.« Dann sprach er wieder in den Hörer, leise und drängend: »Ich denke, ich muß Ihnen nicht sagen, daß mir die ganze Sache angst macht, Abby.«
    »Mir macht sie auch eine Höllenangst.«
    »Dann sollten wir direkt zur Polizei fahren und das Problem bei denen abladen. Es ist zu gefährlich, auf eigene Faust weiterzumachen.«
    »Ich bin hundert Prozent Ihrer Meinung.«
    »Wir werden es gemeinsam tun. Je größer der Chor, desto überzeugender die Botschaft.«
    Sie zögerte. »Ich fürchte, daß meine Anwesenheit der Sache schaden könnte.«
    »Ich kenne die Einzelheiten nicht, Abby. Sie dagegen kennen sie.«
    »Also gut«, sagte sie nach einer Pause. »Wir werden gemeinsam zur Polizei gehen. Könnten Sie mich abholen? Mir ist kalt. Und ich habe Angst.«
    »Wo sind Sie?«
    Sie blickte aus dem Fenster der Telefonzelle. Zwei Straßenecken weiter ragten die Türme des Krankenhauses in den Himmel, ihre Lichter schienen in der sturmgepeitschten Finsternis zu pulsieren. »Ich bin in einer Telefonzelle. Ich weiß nicht, wie die Straße heißt. Sie ist ein paar Blocks östlich vom Bayside.«
    »Ich werde Sie schon finden.«
    »Dr. Tarasoff?«
    »Ja?«
    »Bitte«, flüsterte sie. »Beeilen Sie sich.«

Vierundzwanzig
    A ls Vivian Chaos Flugzeug am Logan International Airport aufsetzte, spürte sie, wie ihre nervöse Anspannung zunahm. Es war nicht der Flug, der sie

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