Kalte Herzen
Assistenzärztinnen.«
»Aber das jetzt sage ich nicht zu allen Assistenzärztinnen«, er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Wir treffen uns im Bereitschaftsraum.«
»Dr. DiMatteo?«
Abby und Mark wurden rot, als sie sich umdrehten und die Schwester sahen, die ihren Kopf zur Tür hereinsteckte.
»Da war ein Anruf für Sie aus dem Sekretariat von Mr. Parr.
Sie sollen in die Verwaltung kommen.«
»Sofort?«
»Man wartet auf Sie?«, sagte die Schwester und ging.
Abby warf Mark einen besorgten Blick zu. »Was nun?«
»Laß dich nicht einschüchtern. Ich bin sicher, alles wird gut.
Willst du, daß ich mitkomme?«
Sie dachte kurz darüber nach, bevor sie den Kopf schüttelte.
»Ich bin schon ein großes Mädchen. Ich sollte in der Lage sein, das alleine zu bewältigen.«
»Wenn es irgendein Problem gibt, piep mich an. Ich bin sofort da.« Er drückte ihre Hand. »Versprochen!«
Sie brachte nicht mehr als ein dünnes Lächeln zustande, bevor sie die OP-Tür aufstieß und mit grimmiger Miene Richtung Fahrstuhl marschierte.
Wie am Vorabend stieg sie mit einem Gefühl ängstlicher Vorahnung im ersten Stock aus und ging den mit Teppich ausgelegten Flur zu Jeremiah Parrs Büro hinunter. Parrs Sekretärin schickte sie in ein Konferenzzimmer um die Ecke.
Abby klopfte an die Tür.
»Herein«, hörte sie Parr sagen.
Sie atmete zitternd ein und betrat den Raum.
Parr erhob sich von seinem Stuhl an dem Konferenztisch.
Außer ihm waren noch Colin Wettig und eine Frau im Zimmer, die Abby nicht kannte. Sie war um die vierzig, brünett und trug ein elegant geschneidertes blaues Kostüm. Nichts in ihren Gesichtern verriet Abby, was der Zweck dieser Besprechung sein könnte, doch ihr Instinkt sagte ihr, daß es kein angenehmer war.
»Dr. DiMatteo«, sagte Parr, »darf ich Ihnen Susan Casado vorstellen, die das Krankenhaus in juristischen Angelegenheiten vertritt?«
Eine Anwältin? Das war gar nicht gut.
Die beiden Frauen schüttelten einander die Hände. Miss Casados Hans fühlte sich in Abbys eisiger Hand unnatürlich warm an.
Abby setzte sich neben Wettig. Es entstand ein kurzes Schweigen, nur unterbrochen vom Papiergeraschel der Anwältin und Wettigs knurrigem Räuspern.
Dann sagte Parr: »Dr. DiMatteo, vielleicht könnten Sie uns berichten, wie Ihr Beitrag zur Behandlung von Mrs. Karen Terrio aussah.«
Abby runzelte die Stirn. Das war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte. »Ich habe die Erstuntersuchung an Mrs. Terrio durchgeführt«, sagte sie, »und sie dann in die Neurochirurgie überstellt, wo man den Fall übernommen hat.«
»Wie lange unterstand Sie Ihrer Behandlung?«
»Offiziell? Etwa zwei Stunden, ungefähr.«
»Und was genau haben Sie in diesen beiden Stunden getan?«
»Ich habe sie stabilisiert und die notwendigen Laboruntersuchungen angeordnet. Das müßte alles in der Krankenakte stehen.«
»Ja, uns liegt eine Kopie vor«, sagte Susan Casado und klopfte auf das Krankenblatt, das auf dem Tisch lag.
»Dort finden Sie alles dokumentiert«, sagte Abby. »Meinen Aufnahmebericht und die Anweisungen.«
»Alles, was Sie getan haben?« fragte Susan.
»Ja. Alles.«
»Erinnern Sie sich an irgend etwas, was Sie vielleicht in jener Nacht getan haben, das sich negativ auf den Zustand der Patientin ausgewirkt haben könnte?«
»Nein.«
»Vielleicht irgend etwas, was Sie unterlassen haben?
Rückblickend?«
»Nein.«
»Die Patientin ist meines Wissens verstorben?«
»Sie hatte ein massives Schädeltrauma, durch einen Autounfall. Sie wurde für hirntot erklärt.«
»Nachdem Sie sie versorgt hatten.«
Abby blickte gereizt in die Runde. »Könnte mir vielleicht irgend jemand erklären, was hier eigentlich los ist?«
»Was los ist?« wiederholte Parr. »Unser Versicherungsträger, Vanguard Mutual – im übrigen auch Ihr Versicherungsträger –, hat vor einigen Stunden eine schriftliche Nachricht erhalten, persönlich zugestellt und unterschrieben von einem Anwalt der Kanzlei Hawkes, Craig und Sussman. Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber offenbar sollen Sie und das Bayside wegen Behandlungsfehler verklagt werden.«
Sämtliche Luft entwich aus Abbys Lungen. Sie ertappte sich dabei, mit beiden Händen die Tischkante zu umklammern, während sie gegen das flaue Gefühl im Magen ankämpfte. Sie wußte, daß man eine Antwort von ihr erwartete, doch sie brachte nur einen Laut des Entsetzens und ein ungläubiges Kopfschütteln zustande.
»Ich nehme an, damit haben Sie
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