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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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diese Dateien nennen würde. Petra natürlich. Aber es brauchte mindestens noch eine weitere Person. Natascha Eusterbeck wusste nur nicht, wem sie vertrauen konnte.
    Sie nahm ihre Notizen, legte sie in eine Mappe und verstaute sie im Safe. Damals, als Henrik ihn hatte einbauen lassen, war ihr das lächerlich vorgekommen. Ein Safe in einem Haus, in dem es keine Wertgegenstände gab, wozu? Henrik dagegen war der Ansicht gewesen, dass in jedes Haus ein Safe gehörte. »Gerade du als Politikerin müsstest das einsehen – gut möglich, dass du geheime Akten mit nach Hause nimmst. Willst du die dann unter dem Kopfkissen verstecken?« Damals hatte das nach Paranoia geklungen, rückblickend war es geradezu prophetisch gewesen. Ja, Henrik war vielleicht schwach. Aber er war nicht dumm. Nie gewesen. Er fehlte ihr. Das Alleinsein tat ihr nicht gut. Jemanden kennenlernen? Ausgeschlossen in einem Job, in dem man täglich hundert Hände schüttelte, aber keinen Menschen an sich heranlassen durfte. Weder physisch noch psychisch. Aber Henry zurücknehmen? Nein, das kam nicht in Betracht, nicht nach allem, was geschehen war. Abgesehen davon, dass sich Natascha nicht sicher war, ob er überhaupt in ihr Leben hätte zurückkehren wollen. In dieses Leben, an dem teilzuhaben man niemandem empfehlen konnte. Jetzt schon gar nicht.
    Ruppig knallte sie die Tresortür zu und gab den Code ein. Henriks Geburtstag rückwärtsgeschrieben. Immer noch. Sie hatte einfach nicht die Energie aufgebracht, das zu ändern.
    Sie wickelte sich in ihren dicksten Schal und zog die Daunenjacke über. Dann schlüpfte sie in ihre Fellstiefel, nahm die Tasche mit den Schlittschuhen aus dem Garderobenschrank und machte sich auf den Weg hinunter zum See. Die Kinder waren weg. Aber sie hatten eine ziemlich große geräumte Fläche hinterlassen. Offenbar hatten sie Schneeschippen dabeigehabt. Natascha setzte sich auf einen der Baumstämme, die am Ufer lagen, und wechselte die Schuhe. Über ihr flog eine Krähe auf. Ihr Krächzen ließ die Stille danach nur noch fühlbarer werden. Vorsichtig stieg Natascha aufs Eis. Am Ufer war es etwas geschmolzen, weiter zur Mitte hin aber trug es noch gut. Überrascht stellte sie fest, dass es zwar kalt war, aber nicht mehr so klirrend wie in den zurückliegenden Wochen. Verärgert bemerkte sie, dass sie die Handschuhe am Ufer hatte liegen lassen. Aber es ging auch so. Sie vergrub die Hände tief in den Jackentaschen und glitt mit wiegendem Schritt dahin. Wenn das Eis ganz leicht angetaut war, bot es die ideale Fläche, um darauf zu laufen. Sie machte ein paar einfache Drehungen und zog dann eine weite Bahn rückwärts, so wie sie am liebsten fuhr, ihre eigenen Schritte betrachtend, während sie sich stetig von ihnen entfernte. So bemerkte sie auch nicht die Gestalt, die zwischen den Bäumen hervortrat und an der Stelle stehen blieb, an der Natascha auf den See gegangen war.
    *
    Es wunderte Henrik Eusterbeck, dass nicht sein Auto vor dem Haus stand – schließlich hatte Natascha es kurz nach Weihnachten genommen, um damit zum Bäcker zu fahren und dann unvermittelt aus seinem Leben zu verschwinden. Aber offenbar war sie inzwischen auf einen VW Golf umgestiegen, vermutlich einen Mietwagen. Was ihn wunderte, war der zweite Wagen, ein weißer Peugeot, der etwas abseits an der Straße parkte, etwa fünfzig Meter vor der Zufahrt zum Anwesen. Das Fahrzeug war leer. Es gab in dieser Einöde schlicht keinen Grund, sein Auto am Straßenrand zurückzulassen. Da die Scheiben trotz der Kälte nicht beschlagen waren, wusste Henrik, dass es erst kurz hier stand. Jemand musste bei Natascha zu Besuch sein – aber weshalb war der Gast nicht näher an das Haus herangefahren? Die Kälte und der knöcheltiefe Schnee auf dem Weg zum Haus luden nicht zu einem Spaziergang ein. Außerdem war der Wagen am Straßenrand kaum zu sehen, weiß vor weißer Landschaft. Er stellte schon fast eine Verkehrsgefährdung dar. Wenn es denn Verkehr gegeben hätte an diesem gottverlassenen Ort.
    Henrik blieb hinter dem Peugeot stehen, stellte seinen Wagen ebenfalls ab, stieg aus und ging dann auch zu Fuß den Weg zum Haus, nicht ohne im Vorbeigehen einen Blick durch die Fenster des anderen Fahrzeugs zu werfen. Doch da war nichts: keine Tasche, kein Jacke, keine Decke, keine CD -Hüllen, kein Päckchen Taschentücher. Nichts Persönliches. Das Auto stand da wie auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers. Fehlte nur das Schild hinter der Windschutzscheibe. Aus irgendeinem

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