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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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Grund fühlte Henrik Eusterbeck sich davon alarmiert.
    Im Schnee waren die Spuren schwerer Stiefel zu erkennen. Natürlich, es gingen bei dem Wetter nicht viele Menschen zu dem Anwesen. Genau genommen niemand, außer dem Besucher. Der Schuhgröße nach zu urteilen war es ein Mann. Sonst wies der Schnee nur die Abdrücke von Nataschas Autoreifen auf, die auch bereits wieder weitgehend zugeschneit waren. Er folgte den Fußspuren, stellte dann aber zu seiner Überraschung fest, dass sie nicht zur Haustür führten, sondern abbogen und um das Haus herum verliefen, um die Richtung zum See einzuschlagen. Ein zweites Paar Fußspuren führte dorthin, kleinere Abdrücke, von der Tür her kommend. Das musste Natascha gewesen sein. Sie war also nicht zu Hause. Einen Augenblick zögerte Henrik Eusterbeck, wandte sich ebenfalls dem schmalen Pfad zum See hinab zu. Doch dann überlegte er es sich anders und nahm seinen Schlüssel hervor, um drinnen auf sie zu warten. Auf Natascha und wer immer ihr Besucher war.
    *
    Wenn sie ihre Augen schloss, dann fühlte es sich für Natascha an, als schwebe sie über den See. Schwerelos, von der kühlen Hand des Windes gestreichelt. Damals, als Kind von elf, zwölf Jahren, war Eislaufen für sie die beste Methode gewesen, Ärger in der Schule oder Kummer zu Hause hinter sich zu lassen und die Seele ganz frei zu bekommen. Das galt auch heute noch. Fast konnte sie die Musik wieder hören, die sie damals immer im Kopf gehabt hatte, melancholische Klassik, melodramatische Streicher und Bläser, all das, was man sogar in jungen Jahren an alter Musik mögen kann. Tschaikowski. Schwanensee. Ja, zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie die Welt um sich herum. Sie war eins mit ihr und im Reinen mit sich selbst. Sie öffnete die Augen und blickte in den weißen Himmel, aus dem es wieder zu schneien begann. Es war gut, dass sie jetzt zum See gegangen war. Später würde die Eisfläche wieder dick verschneit sein. Sie wagte einen kleinen Flip – und blieb abrupt stehen.
    »Sehr beeindruckend, wirklich«, sagte der Mann, der am Ufer stand. »Sie hätten Eistänzerin werden sollen.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Natascha, die sich um Gleichgewicht bemühen musste, so sehr hatte das plötzliche Auftauchen des Mannes sie aus ihren Gedanken gerissen. Doch sie wusste es bereits. Sie kannte ihn, auch wenn sie ihm nie persönlich begegnet war.
    »Das wissen Sie«, stellte denn auch der unerwartete Besucher fest und hob, als müsse er sich gänzlich zeigen, seinen Hut. Das Haar war weiß und licht geworden, er hatte einige Pfunde zugenommen. Und doch war es unverkennbar der Mann, den Natascha auf den Bildern gesehen hatte. Den Bildern mit Gero Mai, Alexander Rau, Marcus Frey, Lars von Wintersleben. Und Jäger. »Dr. Lafrage«, sagte sie und ballte die Fäuste in ihren Jackentaschen.
    »Freut mich, Sie endlich kennenzulernen, Frau Eusterbeck.« Sein Akzent hielt sich in Grenzen, er musste schon sehr lange in Deutschland leben. »Immerhin habe ich viel von Ihnen gehört.«
    »Nur Gutes, hoffe ich.« Natascha überlegte, ob sie zu ihm hinfahren sollte oder den See lieber überqueren. An seinen feindlichen Absichten hegte sie nicht den geringsten Zweifel.
    »Nicht dass ich wüsste«, entgegnete Lafrage. »Aber Sie dürfen sicher sein, dass das meine hohe Meinung von Ihnen nicht schmälert. Im Gegenteil! Ich finde es zwar nicht gut, was Sie getan haben, aber Sie genießen meinen Respekt.«
    Sie entschied sich, zu ihm hinzufahren. Lafrage aber hob den Arm und hieß sie stehen bleiben. »Etwas Abstand tut uns beiden gut.« Er hatte eine Waffe in der Hand.
    *
    Im Tresor lag ein Stapel Dokumente. Sonst war nichts zu sehen. Henrik Eusterbeck zögerte nur einen Augenblick, dann nahm er die Papiere heraus und ging damit ins Arbeitszimmer, wo er sich an den Schreibtisch setzte. Wie er aus dem Augenwinkel feststellte, blinkte das Telefon. »Neue Nachrichten«. Gewohnheitsmäßig drückte er auf die Abfrage und betrachtete die Liste: mehrmals Rufnummern in Berlin, die sich nur durch ihre Endungen unterschieden. Und einige Anrufe von »Unbekannt«. Keinen hatte Natascha entgegengenommen. Henrik legte das Telefon beiseite und schlug die Mappe auf, die ganz oben lag. »Nofretete 061 08«.
    Er blätterte ein wenig in den darunterliegenden Unterlagen. Notizen, Artikel, Bilder. Einiges davon hatte er besorgt. Doch offenbar hatte sie noch andere Quellen gehabt. Gute Quellen. Die Materialien wirkten unschuldig wie ein Fotoalbum aus alten

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