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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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man überdies ein persönliches Passwort, das ihm bei der Einweisung ausgehändigt worden war. Und so durchstöberte er bei jedem seiner Aufenthalte die Abteilungen, verfolgte die Informationsströme und die meistfrequentierten Onlinedienste außerhalb des Kanzleramts. Und er begann, die Personenliste, die ihm Natascha ausgehändigt hatte, zu scannen und Ordner anzulegen, in denen er die wichtigsten Informationen zusammenstellte. Politiker fanden sich darin, politische Beamte, Regierungsmitglieder und die Leute von der Opposition, soweit sie mit inhäusigen Leuten in engem Austausch standen, was zu Henrik Eusterbecks Überraschung häufig vorkam. Claus Weigand, der Finanzchef des Kanzleramts, gehörte dazu: Er stand in auffällig engem Austausch mit dem Finanzminister im Schattenkabinett des Kanzlerkandidaten der Opposition. Wie sich herausstellte, waren die beiden zur selben Zeit Oberverwaltungsdirektoren am Bundesfinanzhof gewesen. Die Frage war, ob hier einer dem anderen zuarbeitete – und wenn ja, wer wem. Auch der persönliche Referent der Kanzlerin hielt bemerkenswert enge Kontakte zu einer bestimmten Stelle: dem Aufsichtsratschef der Nationalbank AG , der als einer der schärfsten internen Gegner des Bankchefs Jo Feldmann galt, seit der einen anderen Kandidaten für den Aufsichtsratsvorstand unterstützt hatte.
    Wenn er außerhäusige Personen durchleuchtete, arbeitete er – so wie jetzt, als er neben seiner Frau, den Laptop auf dem Schoß, im Wohnzimmer saß – am liebsten zu Hause. Auch wenn man ihn im Kanzleramt in Ruhe ließ, so kannte er doch lieber die Wände, die ihn umgaben. Außerdem standen die Chancen, Natascha gelegentlich zu Hause anzutreffen, immer noch höher, als ihr im Kanzleramt über den Weg zu laufen. Also schlug er sich die Nächte am Computer um die Ohren und spionierte sie alle aus, die Bauers, die Weigands, die Jägers (ja, auch der Sicherheitschef hatte häufige Kontakte, allerdings vorwiegend zur amerikanischen Botschaft, was bei seinem Job nahelag) und die Feldmanns dieser Welt.
    Feldmann hatte in Henrik Eusterbecks Sammlung der wichtigsten Außenkontakte und externen Schnittstellen die bisher größte Datei zugedacht bekommen. Keiner schien vernetzt wie er, keiner hatte mehr Bezugspunkte, keiner tauchte an mehr Stellen auf als der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Bank. Ja, Henrik Eusterbeck begann, sich von der seltsamen Aura dieses Mannes faszinieren zu lassen. Feldmann war eine überaus interessante Persönlichkeit: An ihm schienen sogar die dicksten Skandale rückstandslos abzutropfen. »Teflon-Jo« hatten ihn ein paar Journalisten deshalb getauft. Aber selbst dieser Spitzname war nicht an ihm haften geblieben, was Henrik Eusterbeck ehrlich erstaunte, denn nichts wurde man bekanntlich so schwer wieder los wie einen ungeliebten Spitznamen, vor allem nicht einen mit negativer Konnotation.
    Der kleine Apothekersohn aus St. Pölten, der in Wien Volkswirtschaft studiert und dann eine rasante Banker-Karriere hingelegt hatte, war schnell in die vordersten Ränge der Nationalbank gestürmt und hatte es dann zum alleinigen Vorstandsvorsitzenden gebracht. Bei seiner Ellbogentour war er bis dahin durch einige Fauxpas aufgefallen. »Er hätte bloß mal aus den Fehlern seiner Vorgänger lernen sollen«, murmelte Henrik.
    »Hm?«
    »Feldmann. Hat genau die gleichen Blödmann-Fehler begangen wie seine Vorgänger. Der eine hat öffentlich über einen Großkunden seiner Bank spekuliert, der andere hat die Existenzen mittelständischer Unternehmen als Bockmist abgetan. Alles Idioten, sobald sie nur wichtig genug sind. Feldmann ist genauso.«
    »Die Macht korrumpiert die Menschen nicht nur, sie verbiegt sie«, sagte Natascha und hoffte in dem Moment, dass sie nicht auch von sich selbst sprach.
    »Fast erstaunlich, dass nicht öfter einem von denen was zustößt.«
    »Henrik, bitte!«
    »Ich sag ja nur. Der Einzige, den sie in die Luft geblasen haben, war dieser Ritter. Und der schien der einzige Gute gewesen zu sein.«
    »Wieso soll Ritter besser gewesen sein?«, fragte Natascha. »Wahrscheinlich hat er nur bessere PR -Berater gehabt.«
    »Und die haben ihm gesagt, dass er sich dafür einsetzen soll, dass den armen Ländern die Schulden erlassen werden? Klingt nicht nach PR . Jedenfalls nicht, wenn es ein Banker sagt.«
    »Das hätte er politisch doch gar nicht durchsetzen können.« Natascha sah von ihrer Lektüre auf. Sie musste an das Buch über Albert Richter denken, das sie im

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