Kalte Macht: Thriller (German Edition)
mir ist natürlich klar, dass ich das Haus kaum kenne und jeder von Ihnen mich hier an Detailwissen locker in die Tasche steckt.« Sie lächelte in die Runde, ohne dass sich einer der anwesenden Herren – und es waren, wie Natascha erst jetzt auffiel, bis auf Britta Paulus tatsächlich ausschließlich Herren – revanchiert hätte. Vielmehr wirkten die meisten gelangweilt. Also beschloss sie, das Tempo etwas anzuziehen. »Wie wir alle wissen, gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten, Strukturen zu reformieren: neue Positionen schaffen und damit den gesamten Apparat noch weiter aufblähen oder einige saubere Amputationen, die aber natürlich wehtun.« Und wirklich: Petra Rebers Weisheiten hatten die Herren alle aufhorchen lassen. Also ließ sie die zweite Bombe platzen: »Deshalb brauche ich Ihre aktive Mithilfe. Jeder Einzelne von Ihnen weiß natürlich, wo seine Abteilung Speck angesetzt hat. Die reine Mitarbeiterzahl ist dafür nicht aussagekräftig. Denn natürlich ist es sehr gut möglich, dass die Abteilung Bildung und Wissenschaft tatsächlich eine eigene Dokumentation braucht und man das nicht über das Pressearchiv des Hauses laufen lassen kann.« Sie sah zu dem blassen Leiter der Bildungsabteilung hinüber, der aussah wie der personifizierte Ruhestand, ein Vorbild für jeden amtsmüden Gymnasiallehrer. »Nun ja«, stotterte er los und verhaspelte sich sogleich. »Ich, äh, das … nun. Ja. Natürlich.«
»Natürlich, was?«, hakte Natascha Eusterbeck nach.
»Natürlich müssen wir das hinterfragen«, beeilte er sich zu erklären. »Wer Veränderungen will, darf keine Tabus kennen.«
Die Leiterin der Presseabteilung, Britta Paulus, die bisher etwas im Hintergrund gesessen hatte, beugte sich vor. »Natürlich können wir auch noch die Dokumentation für die Abteilung Bildung übernehmen. Und auch die für alle anderen Abteilungen, falls die sich einbilden, auch noch eine eigene Dokumentation haben zu müssen. Aber mit meinen Leuten bin ich schon jetzt so was von auf Kante genäht, dass wir demnächst den Achtundvierzig-Stunden-Tag einführen müssten, um das personell überhaupt noch zu bewältigen.«
Natascha nickte. »Sie haben beide völlig recht. Wir brauchen keine Tabus. Und zwar in keine Richtung. Wenn sich herausstellen sollte, dass wir mit mehr Leuten effizienter arbeiten können, dann müssen wir Personal aufbauen. An anderer Stelle wird es dafür wegfallen. Ich habe Ihnen allen eine kleine Mappe zusammengestellt, aus der Sie ersehen können, wie sich Ihre jeweilige Abteilung aus der Außensicht darstellt. Drei Punkte möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam zu überlegen: Erstens, wo müssen wir kürzen. Zweitens, wo müssen wir vielleicht auch mehr tun, eventuell sogar mehr Leute einsetzen. Und drittens, wo ließe sich der Austausch intern und extern, also im Ministerium und zwischen unserem Haus und den anderen Behörden optimieren. Mit anderen Behörden meine ich übrigens nicht nur Ministerien! Herr Kollege Frey hat dazu vielleicht besonders gute Anregungen. Als Schnittstelle nicht nur zum Innenministerium und zum Innenausschuss des Bundestags, sondern auch als Geheimdienstkoordinator, wo er mit BND , Verfassungsschutz und MAD und auch mit den Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer, den Kollegen in den befreundeten Staaten und so weiter zusammenarbeiten muss. Lieber Herr Dr. Frey, da würden wir Ihnen sicher gerne mal lauschen, welche Erkenntnisse Sie im Laufe der Jahre zu Fragen der Effizienz gewonnen haben.«
Staatssekretär Freys Miene schien festgefroren zu sein. Sein Lächeln, das er aufgesetzt hatte, als Natascha sich ihm zuwandte, war zur Maske geraten. »Gerne«, knurrte er zwischen schmalen Lippen. »Das wird mir ein besonderes Vergnügen sein.«
»Sie wissen, meine Herren«, fuhr Natascha fort, »dass ich einen ersten Entwurf für meine Vorschläge Ende Januar vorlegen soll. Bis dahin ist noch etwas Zeit. Ich schlage vor, wir nutzen sie, indem wir uns in Zweiergesprächen austauschen – und uns dann vielleicht im Dezember noch einmal in großer Runde treffen.«
»Zu Punsch und Plätzchen«, tönte es von irgendwoher. Natascha erinnerte sich an den Rat der Kanzlerin, sich stets gerne unterschätzen zu lassen. Das schien ihr, nachdem sie den zweiten Rat, sich wichtigzutun, so ausdrücklich beherzigt hatte, nun die richtige Strategie. »Gute Idee!«, sagte sie. »Das bringe ich dann mit. Als kleines Dankeschön für Ihre Unterstützung.«
*
»Ich war beeindruckt von
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