Kalte Spur
Küchentisch Hausaufgaben, während Lucy fernsah.
»Wo ist eure Mom?«
Sheridan zeigte aufs Büro. Die Tür war geschlossen, was ungewöhnlich war.
Als Joe sie öffnete, sah er Marybeth an seinem Schreibtisch sitzen. Das Licht des Computerbildschirms ließ ihre Züge streng wirken. Doch als sie das Gesicht hob, sah Joe, dass sie besorgt war.
»Du hast ein paar Nachrichten auf dem AB«, sagte sie. »Hör die erst mal ab und komm dann wieder. Wir müssen reden.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Die erste AB-Nachricht war von Sheriff Harvey aus Park County.
»Wir konnten den Besitzer des Handys ermitteln, Joe. Es gehört einem L. Robert Eckhardt, Diplomkrankenpfleger, zuletzt gemeldet in Fort Bragg, North Carolina.«
Damit hatte Nate also recht, dachte Joe und schrieb den Namen auf einen Notizblock.
»Wir haben da unten angerufen, aber kaum Hilfe bekommen«, fuhr Harvey fort. »Einer war im Gespräch zunächst freundlich, hat uns dann in die Warteschleife geschickt und wollte danach nicht mehr das Geringste sagen. Man hatte ihn wohl angewiesen, uns abzublocken. Wir haben das FBI über Portenson gebeten, denen da unten etwas Dampf zu machen, und dürften morgen mehr wissen. Ich sag Ihnen dann Bescheid.«
Der zweite Anruf war von Robey Hersig: »Die Fahndung ist draußen, Joe, aber bis heute Abend um sechs hat niemand Cleve Garrett und sein reisendes Straßentheater gesehen.«
Als Dritter hatte sich Sheriff Barnum gemeldet. Seine Stimme bebte vor Wut. »Pickett, ich hab einen Anruf von Sheriff Harvey aus Park County bekommen. Er sagt, Sie haben vielleicht jemanden im Visier, ist aber nicht ins Detail gegangen.« Es folgte eine lange Pause, und Joe stellte sich vor, wie Barnum kochend an seinem Schreibtisch saß und sich zu beherrschen und die richtigen Worte zu finden suchte. »Sie müssen mich, verdammt noch mal, auf dem Laufenden halten, Mr. Pickett.« Dann wurde der Hörer aufgeknallt. Joe löschte die Nachrichten nicht, vielleicht brauchte er sie noch.
»Geschafft?«, fragte Marybeth und bemühte sich, ihre Ungeduld zu unterdrücken.
Joe nickte. »Kann ich mir erst was zu futtern holen?«
»Sicher. Im Kühlschrank ist noch kalte Pizza aus der Stadt.«
»Wann hab ich zuletzt was gegessen? Ich glaube …«
»Geh, Joe.«
Mit der Pizza und einer Flasche Bier kam er zurück und setzte sich ihr gegenüber an den Schreibtisch. Abgesehen von einigen Saucenflaschen, Milch und etwas Altem, Grünem in Plastik war der Kühlschrank nun offiziell leer. Er versuchte, sich davon nicht irritieren zu lassen.
Ihr Gesichtsausdruck brachte ihn sofort auf andere Gedanken. Marybeth wirkte aufgewühlt und zugleich traurig. Vielleicht auch ein bisschen wütend. Er hoffte, all das galt nicht ihm.
»Ich sollte für dich möglichst viel über Tanner Engineering herausfinden und in Erfahrung bringen, wie lange Tuff Montegue für die Firma gearbeitet hat«, begann Marybeth, stand auf und ging an Joe vorbei, um die Tür zu schließen. »Es gibt viel über das Unternehmen im Internet. Ich habe mit einer einfachen Google-Suche begonnen.«
Joe hörte zu und aß dabei kalte Pizza.
»Es war wirklich ganz leicht zu finden.« Sie wies mit dem Blick auf einen Stapel Papier, den sie ausgedruckt und mit der Schrift nach unten auf Joes Schreibtisch gelegt hatte. »Tanner Engineering arbeitet in der Umweltforschung und erstellt für die US-Regierung und viele Energieversorger Berichte über Umweltbelastungen. Wasseruntersuchungen sind ihre Spezialität. Zu ihren Kunden gehören alle Großunternehmen, die in Colorado, Montana und vor allem in Wyoming nach Flözgas bohren. Gerade im Powder River Basin und hier im Twelve Sleep County.
Wenn diese Firma ihre Tests durchgeführt und einen zertifizierten, vom Oberingenieur, also Mr. Tanner, unterzeichneten Bericht erstellt hat, reicht das Energieunternehmen ihn mit allen anderen Unterlagen bei den Behörden ein, die in Washington D. C. und Wyoming die Bohrgenehmigungen erteilen. Ohne solche Genehmigungen keine Bohrungen. Wenn Tanner Engineering zu viele Mineralien oder zu viel Salz im Wasser findet, ist es für die Energieversorger viel schwieriger, die Bohrgenehmigung zu bekommen. Also ist dieses Zertifikat sehr wichtig.«
Joe schraubte den Verschluss von der Flasche und trank sie zu einem Viertel leer. Das Bier war kalt und gut.
»Ich hab bei Tanner Engineering in Austin angerufen und mit der Personalabteilung gesprochen«, fuhr Marybeth fort, und ihre Wangen wurden rot. »Denen hab ich
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