Kalte Spuren (German Edition)
Handschuhe und dicke Hosen. Sie hatte die Kapuze über den Kopf gezogen und eine Schneebrille in die Stirn geschoben. Um ihren Hals war ein Wollschal gewickelt. Es gab keine Anzeichen eines besonderen Schutzes vor dem Virus.
Die blonden Haare lugten am Rand der Kapuze hervor. Eileen erkannte sie nicht nur am Haar, sondern auch an der Augenpartie, doch sie war vorsichtig, seit sie erfahren hatte, dass es wesentlich mehr als nur eine Zwillingsschwester dieser Frau gab.
»Home, sweet home«, sagte Eileen laut genug, dass es die Frau im Gang verstehen konnte.
Die Antwort kam prompt. »Atlanta, nicht Alabama.«
»Gwen? Wie zum Teufel kommen Sie denn hierher?« Eileen senkte den Waffenlauf und bedeutete Vandengard und Juliette, es ihr gleichzutun, doch die beiden waren unschlüssig. Damit keiner von ihnen Gwen Stylez versehentlich erschoss, trat Eileen in die Feuerlinie und ging auf die ehemalige Assistentin des Generals von Atlanta zu. Ihre Nase war rot, die Lippen bläulich angelaufen. Allerdings gab es keine Anzeichen einer Infektion.
»Lange Geschichte. Die hebe ich mir für später auf, wenn wir mit einem Caipirinha irgendwo am Strand auf den Malediven in der Sonne liegen, okay?«
Eileen lächelte und nickte.
Dann erinnerte sie sich daran, dass Mrs Stylez keinen Schutzanzug trug. »Wo immer Sie herkommen, Sie sollten so schnell wie möglich wieder dorthin zurück. Renegade hat sich hier frei entfaltet. Es wundert mich, dass Sie …«
»Ich weiß«, sagte Gwen.
Juliette und Vandengard kamen zu den beiden, warfen jedoch immer wieder sichernde Blicke nach vorn zu der Tunnelgabelung. Irgendjemand hatte Simmons und sein Team unter Beschuss genommen. Dieser Jemand musste sich noch in der Höhle befinden, denn der Vorsprung Simmons’ vor Eileen und den anderen war nicht allzu groß gewesen und hatte nur ein paar Minuten betragen.
»Meine Leute sind tot«, sagte Gwen. »Ich war mit einer Gruppe Kanadier hier. Das Virus hat sie draußen im Schnee erwischt.«
»Aber Sie …«, begann Juliette.
»Ich bin immun.«
Eileen sah Gwendolyn Stylez überrascht an. »Immun?«
Die andere Frau lächelte und zuckte die Achseln. »Ich wusste es selbst vorher nicht. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich bin seit gut einer halben Stunde dem Virus ausgesetzt und zeige keine Anzeichen einer Infizierung. Es bleibt also nur die Erklärung, dass ich immun bin und irgendwelche Antikörper gegen Renegade in meinem Blut trage.«
Hoffentlich!, dachte Eileen und befürchtete, Renegade könnte jede Sekunde doch noch zuschlagen.
Das Lächeln verschwand von Gwens Lippen. Sie blickte Eileen an. Dann Vandengard.
»Das gilt übrigens für Sie beide und Simmons auch«, sagte sie völlig ernst.
»Was?«, platzte Vandengard heraus.
Gwen nickte. »Das ist der Grund, warum ich überhaupt hergekommen bin. Ich habe bei meinen Recherchen etwas herausgefunden, das ich Ihnen, Eileen, unbedingt mitteilen musste. Shift-P, das Serum, das die Fähigkeiten der Hazarder in ihrer DNA wieder reaktivieren soll, ist eine Kombination der beiden Virenstämme Renegade und Defector.«
Vandengard stöhnte. Eileen taumelte zwei Schritte zurück und stieß gegen Juliette. Die Französin schüttelte nur ungläubig den Kopf.
»Aber … was bedeutet das?«, fragte Vandengard.
»Das ändert alles«, sagte Eileen. Sie wandte sich zu Juliette um. »Das ändert verdammt noch mal alles!«
»Inwiefern?«, fragte Juliette. »Ich …«
Dann weiteten sich ihre Augen in plötzlichem Verstehen, doch bevor sie ihren Verdacht aussprechen konnte, setzte bereits Eileen zu einer Erklärung an.
»Wenn Shift-P das Supervirus aus dem Defector- und Renegade-Stamm enthält, dann wäre der Verbund bereits im Besitz beider Stämme. Warum sollten sie dann Simmons hierher ins Eis schicken, um Renegade zu bergen? Das lässt drei Schlussfolgerungen zu.« Eileen hob in der behandschuhten Hand einen Daumen hoch. »Renegade befindet sich nicht im Besitz der Generäle.« Sie fügte den Zeigefinger hinzu. »Shift-P stammt nicht von den Generälen.« Der Mittelfinger gesellte sich dazu. »Und drittens …«
Gwen unterbrach sie: »Die Generäle haben absolut nichts mit den Hazardern zu tun!«
Die Bombe war geplatzt. Vandengards Kinnlade klappte herunter. Er starrte ungläubig Eileen und dann Gwen an. Juliette schien es nicht anders zu gehen. Ihr Atem drang schwer und halb keuchend aus den Helmlautsprechern.
Selbst Eileen wurden die vollen Konsequenzen dieser Eröffnung erst bewusst, als Gwen
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