Kalte Spuren (German Edition)
Güte, was tue ich da?
War es nicht gleichgültig? Eileen besaß keine Identität mehr und wurde von den Behörden grundlos gejagt. Am Ende stand keine ordentliche Gerichtsverhandlung mit der Aussicht, die Missverständnisse aufzuklären, sondern eindeutig der Tod.
Es gab nichts mehr. Das Leben hatte seinen Wert verloren. Sie war allein und würde ewig auf der Flucht bleiben, bis sie eines Tages nicht mehr clever genug für ihre Verfolger war. Nicht einmal zu ihrer Familie konnte sie zurück, ohne diese zu gefährden. Wenn ihre Mutter und ihr Bruder überhaupt noch lebten. Eileen hatte nichts mehr zu verlieren.
Es gab nur noch sie und die Organisation. Es war sinnlos gegen eine solch mächtige Gruppe kämpfen zu wollen. Warum hatte sie der General da herausgerissen? Nur, weil er die Pläne seiner Komplizen nicht kannte, weil sie ihn aus ihrem großen Heiligtum ausgeschlossen hatten? Vielleicht wäre sie besser dran, wenn sie ihm nicht auf den Leim gegangen wäre.
Die Organisation konnte ihr eventuell helfen.
Bei dem Gedanken reifte in Eileen ein Plan heran.
Sie rammte die Kanüle in ihren Arm und drückte den Kolben so schnell zusammen, dass sie keine Zeit hatte, es sich anders zu überlegen. Sie spürte den Strom grüner Flüssigkeit in ihren Adern. Ein Feuer breitete sich sogleich in ihrem Unterarm aus.
Die Atemnot war wie weggeblasen, doch dafür verschwamm der Tisch vor ihren Augen. Der Raum schien sich in Bewegung zu setzen und begann, um sie zu kreisen. Eileen streckte die Hände aus, wollte sich irgendwo festhalten. Sie hörte, wie die Spritze zu Boden fiel.
Das Feuer schoss durch ihren Arm die Schulter hinauf, erreichte ihren Kopf und schien ihn in Brand zu setzen. Die Hitze war gewaltig und stieß Eileen wie einen Spielball durch den Raum. Sie stolperte gegen die Bettkante und fiel auf die Matratze. Danach senkte sich gnädige Nacht über ihre Augen.
Kessebüren, Deutschland
13. November, 09:36 Uhr MEZ
»Geh du ran«, sagte Markus und deutete auf das Handy der Italienerin. »Sie erwarten eine Frauenstimme. Außerdem bist du eine derjenigen, die auf der Liste stehen.«
Veronica Pothoff seufzte, drückte die Hörer-Taste und hielt sich das Telefon ans Ohr.
»Ja?«
Markus beobachtete die Frau. Bemerkte ihr Stirnrunzeln, die sich verkleinernden Pupillen, während sie einfach nur dem Teilnehmer am anderen Ende der Leitung lauschte.
»Ich … bin nicht allein«, sagte sie nach einer Weile. »Und das ist Teil der Bedingung. Mein Begleiter kommt mit.«
Wieder hörte sie zu. Dann: »In Ordnung. Wenn Sie mich hereinzulegen versuchen, werde ich die Dose mit den Tabletten vernichten.«
Sie drückte die rote Taste und beendete die Verbindung.
»Wer … wer war das?«, fragte Markus.
Veronica blickte ihn an. Ihre Augen schimmerten seltsam. Eine Spur von Angst. Sie senkte das Handy.
»Er will uns sehen.«
Markus legte den Kopf schief. »Wer?«
»Er nannte sich nur … Jae«, sagte Veronica und schüttelte dabei sichtlich verwirrt den Kopf.
Markus seufzte, trat auf sie zu und nahm ihr das Handy aus der Hand. Sie ließ es zu. Er blickte auf das Display und prüfte die Nummer des letzten Anrufers. Unbekannt. Dann sah er Veronica wieder an.
»Es wäre schön, wenn du mir von dem kompletten Gespräch berichtest.«
Veronicas Blick klärte sich. »Es war nicht viel. Er sagte, er heiße Jae und es täte ihm außerordentlich leid, dass mir Unannehmlichkeiten bereitet worden wären. Wenn er für mich etwas tun solle, dann solle ich mich mit ihm treffen.«
»Was tun?«
»Mein Überleben garantieren. Er versprach, mich in Ruhe zu lassen, wenn wir damit aufhören, Vandengard hinterherzujagen.«
Markus verschränkte die Arme vor der Brust.
Sein Herz schlug vor Aufregung so heftig, dass es schmerzte. Noch immer war sein Körper vom Adrenalin aufgeputscht. Er brauchte dringend etwas Ruhe.
»Dann lass uns die Scheißtabletten wegwerfen und wir haben unsere Ruhe.«
»Vandengard hat nicht den BKA -Mann auf mich gehetzt«, sagte Veronica. »Und auch nicht den Hubschrauber geschickt, der dich angegriffen hat. Wenn wir die Tabletten wegwerfen und uns dieser Jae in Ruhe lässt, dann haben wir noch immer die Behörden im Nacken. Er sagte, er könne mir … uns … helfen.«
»Uns?«, fragte Markus. »Das hat er aber erst gesagt, nachdem du ihn darum gebeten hast, dass ich dabei bin, oder?«
Sie nickte. »Es ging niemals um dich in dieser Sache. Du warst nur zufällig zur falschen Zeit am falschen
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