Kalte Spuren (German Edition)
Scheunentor donnerte. Die Straße verlief etwa hundert Meter parallel zur US-29 und bog dann im rechten Winkel nach rechts ab. Sie führte schnurstracks in den Wald hinein. Hinter sich hörte Eileen die Polizeisirenen. Das Wummern des Hubschraubers näherte sich.
Im selben Moment klingelte ihr Blackberry.
Eileen zog das Telefon aus der Tasche, warf einen Blick in das Display und sah eine Nummer. Auch wenn sie die SMS noch nicht gelesen hatte, konnte es sich nur um die Anruferin von G-Dawn handeln.
Die Straße führte über einen Bach. Dem Wummern der Rotorblätter gesellte sich ein zweites hinzu. Dann ein weiteres. Sie kamen mit gleich drei Hubschraubern.
»Ja?«, sagte Eileen ins Telefon.
»Da haben Sie sich ja was Hübsches eingebrockt.« Inga. Ihre Stimme klang ernst und ganz und gar nicht amüsiert.
»Hat sich so ergeben.«
Im Scheinwerferlicht blitzte ein Bahnübergang auf. Eileen warf einen Blick auf das Navigationsgerät.
»Biegen Sie an den Gleisen links ab«, sagte Inga.
»Sie können mich sehen?« Eileen war kurz versucht, auf die Bremse zu treten und stehen zu bleiben.
»An Bord eines der Helikopter arbeitet ein Mann für uns. Wir haben Sie im Blick, aber es sind zu viele Cops und Bundesagenten im Einsatz, als dass wir jetzt eingreifen könnten. Wir müssen Sie erst aus dem Schlamassel herausholen.« Inga holte Luft. »Die Bahnstrecke führt entlang der US-29 nach Norden direkt nach Charlottesville, dann weiter über einen Hub nach Orange und von dort bis Washington.«
»Bis dahin sind die Reifen, Felgen und Achsen platt«, sagte Eileen trocken. Sie war bei dem Bahnübergang und riss das Lenkrad herum. Wenn sie dem Navi vertrauen konnte, endete die Arrowhead Farm Lane ohnehin fünfzig Meter hinter den Gleisen in der Dunkelheit. Der Chrysler Sebring schlug auf die Bahnschwellen auf. Die Holperfahrt begann. Eileen schaltete das Fernlicht ein.
»Etwa fünfhundert Meter«, sagte Inga am anderen Ende der Verbindung. »Dann kreuzt erneut eine Straße. Sie müssen das jetzt sehr präzise timen, Hannigan.«
»Was denn?« Eileen hatte Mühe das Telefon bei dem ständigen Auf und Ab des Wagens zu halten. Sie klemmte sich das Blackberry unters Kinn und hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest. Irgendwo über, vor und hinter ihr wummerten die Helikopter.
»Die Hubschrauber sind im Anflug, aber sie können Sie noch nicht aus der Luft sehen. Sie folgen den Hinweisen der Streifenwagen, die Ihnen auf den Fersen sind.«
Eileen blickte in den Rückspiegel. Irgendwo hinter ihr blitzte es blau-rot auf, doch von den Cops war noch nichts zu sehen. Sie mussten sich aber bereits auf der Arrowhead Farm Lane befinden.
Ein Vorderrad schrammte am Gleis entlang. Für eine Sekunde schien Eileen die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Sie steuerte gegen. Ihre Hände krampften sich förmlich um das Lenkrad. Sie nahm etwas Gas zurück, bis der Sebring wieder in der Spur war, und beschleunigte erneut.
»Am Bahnübergang biegen Sie rechts ab. Die Poorhouse Road führt entlang der Gleise bis hoch zur US-29.«
Eileen sah es auf der Kartendarstellung des Navigationsgerätes. Die Straße mündete in dem Knick, den sie vorhin passiert hatte. Nur wenig weiter befand sich die Goodwin-Farm, von der sie diesen Wagen gestohlen hatte.
»Ich fahre im Kreis, Herzchen.«
»Das sollen die Cops denken«, sagte Inga. »Wenn Sie auf der Poorhouse sind, passieren Sie einen Bachübergang und lenken den Wagen in den Bach.«
»Fein, schwimmen.«
»Es wäre hilfreich, wenn Sie ernst bleiben.«
»Es wäre hilfreich, wenn Sie nicht so einen Scheiß erzählen!«, erwiderte Eileen giftig.
Inga überging die Antwort. »Jetzt kommen wir zum Timing. Steigen Sie aus dem Wagen und folgen Sie zu Fuß dem Bachverlauf bis zu den Gleisen. In exakt zwei Minuten und dreißig Sekunden wird der Comet Star R95 aus Süden diese Strecke passieren.«
»Ich soll auf einen Personenzug aufspringen?« Eileen hatte wieder Mühe, den Wagen unter Kontrolle zu halten. Hinter ihr blitzte das Blaulicht der Streifenwagen auf. Die Spürhunde hatten die Verfolgung aufgenommen und bogen nun ebenfalls auf die Bahnlinie.
»Ich bin schnell, aber nicht so schnell wie der Flash«, sagte Eileen.
Inga seufzte. »Der Zug wird an der Stelle das Tempo verlangsamen. Sie können gefahrlos aufspringen.«
Die Holperfahrt endete jäh, als Eileen die Kreuzung zur Poorhouse erreichte. Für eine Sekunde überlegte sie, ob sie statt rechts nach links direkt auf die US-29 fahren
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