Kalte Wut
geräumigem Zimmer mit Blick auf die Kathedrale angekommen waren.
»Dieser merkwürdige Typ in der Halle. Der hat keineswegs geschlafen, sondern uns beobachtet. Irgend etwas gefällt mir nicht an ihm.«
»Um diese Zeit bildet man sich alles mögliche ein«, erwiderte Tweed und schob damit das Thema beiseite. »Wir können nur vier Stunden schlafen. Ich möchte Sie alle um acht Uhr unten beim Frühstück sehen.«
»Um acht!« protestierte Newman. »Da lohnt es sich ja kaum, zu Bett zu gehen.«
»Ich komme mühelos mit vier Stunden Schlaf aus, und ich bin älter als Sie«, bemerkte Tweed.
»Und ich möchte so schnell wie möglich nach Bosham«, erklärte Paula. »Ich möchte herausfinden, was Jean auf ihrer Stickerei mit einem Kreuz markiert hat.« Sie wendete sich an Newman. »Inzwischen haben Sie die Stickerei ja gesehen. Sie müssen doch zugeben, daß ich auf einer Spur sein könnte.«
»Vielleicht ja, vielleicht nein«, knurrte Newman. »Auf jeden Fall ist die Stickerei in Ihrer Tasche sicher untergebracht. Ich kann mir gut vorstellen, daß Philip diese unvollendete Arbeit eines Tages einrahmen möchte – genau wie die anderen Arbeiten von Jean, die wir in seinem Haus gesehen haben.«
»Armer Philip«, bemerkte Paula, nachdem sie Tweed verlassen hatten, um sich in ihre eigenen Zimmer zu begeben. »Ich wüßte zu gern, wo er jetzt steckt, und ich hoffe bei Gott, daß ihm nichts passiert ist.«
International & Cosmopolitan Universal Communications hat ihre europäische Zentrale in München, Maximilianstraße 2001.
Von dort aus werden sämtliche Unternehmungen von London bis zum Ural gesteuert …
Es war diese Bemerkung, die Jean in ihrer kraftvollen Handschrift in ihrem Tagebuch festgehalten hatte, die Cardon veranlaßt hatte, in die bayrische Hauptstadt zu fliegen.
Sobald er am Münchener Flughafen eingetroffen war, der ungefähr eine Fahrstunde von der Stadt entfernt liegt, mietete er sich einen BMW und fuhr durch die flache nächtliche Landschaft, die sich im Mondlicht zu beiden Seiten der Straße erstreckte.
Binnen zehn Minuten wußte er, daß er von zwei Männern in einem grauen Volvo-Kombi verfolgt wurde. Er begann, wieder ein Selbstgespräch zu führen.
»Von meiner Wohnung aus ist mir niemand gefolgt, und auch nicht an Bord des Flugzeugs. Das bedeutet, daß jemand den Münchener Flughafen genauestens überwachen läßt. Dieser Jemand ist beunruhigt. Also hat er veranlaßt, daß jeder hier landende Engländer verfolgt wird. Offenbar befinde ich mich am richtigen Ort …«
Er unternahm keinen Versuch, seine Verfolger abzuschütteln.
Im Moment bestand seine wichtigste Aufgabe darin, sich eine sichere Basis zu verschaffen, und Cardon wußte genau, wie er das anstellen mußte. Wie alle hochrangigen Mitarbeiter des SIS hatte er ständig eine große Summe in Schweizer Franken bei sich und war dadurch imstande, sich notfalls jederzeit an jeden beliebigen Ort in der Welt zu begeben.
Seine Gedanken wanderten zurück nach Chichester und Jeans letzten Tagen im Nuffield. Chichester war eine alte Stadt mit ein paar wundervollen Gebäuden aus der georgianischen Zeit. Ganz anders als München mit seiner Rokoko-Eleganz, dachte er, als er eine der schönsten Städte Deutschlands erreicht hatte.
Er fuhr langsam die schnurgerade Maximilianstraße entlang. Im Rückspiegel sah er, daß der graue Volvo nach wie vor hinter ihm war. Er lächelte grimmig.
»Ihr beide werdet eurem Boß einen Haufen nutzloses Zeug berichten.«
Er bog von der Straße auf die halbmondförmige Auffahrt vor dem Hotel Vier Jahreszeiten ab, stieg aus, als ein Portier ihm die Tür öffnete, lehnte aber das Angebot, seinen Koffer zu tragen, ab.
»Ich gedenke ein paar Tage zu bleiben. Philip Cardon …« Er buchstabierte den Namen und fuhr in fließendem Deutsch fort:
»Bitte parken Sie meinen Wagen. Ich muß morgen früh einen Mechaniker bestellen, der ihn sich ansieht. Der Motor läuft nicht rund«, log er.
Kurz bevor er die große Empfangshalle betrat, sah er aus dem Augenwinkel heraus, daß der Volvo ein Stück die Straße hinunter angehalten hatte. Er nahm ein großes, nach hinten hinausgehendes Doppelzimmer und ging mit seinem Koffer die Treppe hinauf, wobei er abermals die Hilfe eines Portiers ablehnte.
Sobald er in dem luxuriös eingerichteten Zimmer angekommen war, schloß er den großen Koffer auf. In ihm lag auf einem Stapel ordentlich zusammengefalteter Kleidungsstücke ein kleinerer Koffer. Er holte die Kleidungsstücke aus
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